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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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Blick, der ihm in alle Glieder fuhr. Als sie seine Haare energisch mit einem Walrosskamm bändigte und währenddessen darüber schwärmte, wie weich, voll und braun sie doch wären, nahm das eigentümliche Gefühl in Kyrrispörr zu. Sie wischte ihm mit mütterlicher Fürsorge ein Stäubchen von der Wange und schenkte ihm dabei ihr strahlendes Lächeln, woraufhin er schier barst vor Stolz und Glück. Da nahm er es ihr nicht einmal übel, dass sie ihn mit einem übermütigen Klaps aufs Hinterteil entließ. Beschwingt und mit hoch erhobenem Haupt trat er ins Freie.
     
    Als er müßig umherschlenderte, fiel ihm auf: Es war das erste Mal, seit er hier war, dass er sich dafür Zeit nehmen konnte. Wie sich die Siedlung gewandelt hatte! Es war ihm gar nicht aufgefallen. Da hier kein Platz für die Zelte der angereisten Seimenn und Hersire mit ihrem Gefolge war, waren sie wie merkwürdige Pilze rings um das Dörflein herum aus dem Boden geschossen und übertrafen die Siedlung bereits an Größe. Hier und da war gar das ebene Land knapp geworden, sodass einige Zelte an die Terrassen der Felswände geschmiegt waren.
    Kyrrispörr genoss es, die Hände untätig hinter dem Rücken zu verschränken, während vor seinen Augen das Langhaus zur Festhalle hergerichtet wurde. Eyvindr Kelda hatte anschließend zum Þing ein Blót gewünscht, ein Opferfest, und ein Hersir hatte das Schwein gestiftet, das nun geöffnet und ausgenommen an einer Leiter vor dem Haus abhing. Überall duftete es nach Brot und Fischbrühe, mit der sich die Angereisten vor der Versammlung stärkten. Die Düfte ließen Kyrrispörr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wenn es ihm in den Häusern der Lachsschupper zwar nie verwehrt worden war, sich selbst zu bedienen, hatte er dies doch nur einmal genutzt, da die Abneigung der Sippe geradezu stofflich spürbar war. Als er zwischen den Zelten umherzuspazieren begann, da wurde er sofort in Beschlag genommen – eine rundgesichtige Braunhaarige, deren Kuppelfibeln wie auf einem Tablett auf der weiten Brust lagen, lachte ihn an und reichte ihm ein großes Stück am Spieß gebratenes Fleisch; und kaum war er schmatzend weitergewandert, bekam er einen Becher Bier, sollte sich ans Feuer setzen und sich nur reichlich vom Fisch nehmen, die ein fröhlicher Herr in den Gewändern eines Edlen über dem Feuer briet. Zwei Zelte weiter tanzte ein Dutzend Männer und Frauen. Das Lager vibrierte geradezu unter der Freude der Menschen, seit Jahren wieder alte Bekannte und Freunde wiederzusehen, Leute zu treffen, von denen sie bisher nur aus Skaldenfersen gehört hatten, und die Sorgen des heimischen Hofs hinter sich zu lassen. Kyrrispörr nahm den ungewohnten, wenngleich verständlichen Dialekt des östlichen Norrön bei vielen Menschen wahr, vor allem bei jenen, die nahe am Herrschaftsgebiet des Schwedenkönigs Olaf Skötkonung lebten.
    »Ah, Kyrrispörr!«
    Der Hersir Jarnskegge, den Eyvindr ihm vorgestellt hatte, hob grüßend die Hand. Im Kreise seines Gefolges saß er bei einem Feuer und wartete darauf, dass ein dünnes Brot auf der langstieligen Kelle knusprig buk. Zwei Söhne, die dem Kindesalter noch nicht entwachsen waren, spielten neben ihm Hefnatafl, und ein überaus schönes Mädchen half der Mutter. Wie sich herausstellte, war es Jarnskegges Tochter Gurun.
    Während Kyrrispörr mit Jarnskegge Höflichkeiten austauschte, blieb ihm ihr erstaunter Blick nicht verborgen, mit dem sie ihn musterte. Er konnte sich das zwar nicht erklären, musste sich aber eingestehen, dass sie ein überaus reizvolles Wesen war. Das volle, goldblonde Haar hatte sie nach Art der Unverheirateten frisiert, sie war von gertenschlankem Wuchs, und ihre wasserblauen Augen strahlten Selbstbewusstsein aus. Die Fibeln, die sie nach der Art der Þrándheimer trug, waren nicht minder kostbar als die Glasperlenkette, die ihren hohen Rang zeigte. Hersir Jarnskegge war offensichtlich in jeder Hinsicht ein vom Glück gesegneter Mann, dachte Kyrrispörr.
    Als er weiterging, vergaß er Gurun schnell, denn trotz ihrer äußerlichen Schönheit verblasste sie gegen Æringa. Beim Gedanken an Æringa fühlte sich Kyrrispörr sofort ganz leicht. Gerade schwebte er auf diesen Wolken durchs Lager, als etwas Weiches ihm um die Wangen schlug und ihn unsanft in die Wirklichkeit zurückholte. Als er sich erstaunt umsah, flog ein zweiter Kochbeutel haarscharf an seiner Nase vorbei. Gleich darauf wurde er von einem Mann fast umgerannt, und ehe er sich wundern konnte, musste

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