Die Magie des Falken
Er dankte ihnen und beschämte sie doch, indem er sagte:
»Wenn die Skalden ihre Lieder über Tryggvasons Fall in ganz Norwegen und Schweden singen, dann werden sie eure Großzügigkeit und Hilfe neben den Mut der Seimenn stellen!«
»Ja, Olafs Gefolge wird bei lebendigem Leib verfaulen«, brummte der Bucklige neben Kyrrispörr grimmig. Er warf Kyrrispörr einen Blick zu, der es ihm kalt den Rücken hinunterlaufen ließ. Er hatte keinen Zweifel am Ernst der Drohung dieses Gnoms.
Das Þing wurde anschließend noch zur Klärung von allerlei Fragen genutzt. Zwar waren sich alle wohl bewusst, dass sie ohne König oder zumindest ersten Jarl schlecht Gesetze ändern und Abgaben und Aufbietpflichten ändern konnten, aber der Jarl Hauknefr versprach, sich der Absprachen anzunehmen. So dauerte die Besprechung bis tief in die Nacht, ungeachtet der bitteren Kälte, die mit dem Abend kam. Auf dem anschließenden Fest, das eher ein geruhsamer Abendumtrunk wurde, wurden weitere Themen erörtert, wie die Schleifstein- und Zunderschwammpreise in Heiabýr im Vergleich zu Sigtuna waren, ob es sich lohnte, über Jomsburg zu segeln, ob im Osten immer noch blonde Sklavenjungen in Silber aufgewogen wurden, wie die Befestigungen der Angelsachsen ausgebaut worden waren oder wie es im Getreidehandel mit Skotkonung stand; auch, welche Krankheiten den Rindern besonders zugesetzt hatten und woher die sagenumwoben großen Kühe stammten, die ein Bauer aus dem Västergötland sein Eigen nannte. Kurzum, es ging um alles, was mit Handel oder Krieg zu tun hatte.
Als Kyrrispörr auf sein Lager fiel, war er todmüde. Trotzdem konnte er nicht schlafen: Das Þing, seine Mannwerdung, Eyvinds Reden und die Reaktionen all der Seimenn und Hersire gingen ihm im Kopf herum wie Wespen in ihrem Nest. Dazu Guruns Blicke. Und, alles überragend, der Gedanke an Æringa. Er griff neben sich und hob die schwere Scheide hoch. Sachte ließ er die Klinge herausgleiten, drehte sie dicht vor seinen Augen und bewunderte, wie sie im ersten Morgenlicht glänzte. Nachdem er sie wieder in die Scheide hatte zurückgleiten lassen, legte er sie längs auf seine Decke, wie man es bei Grabbestattungen tat, und faltete die Hände über dem Schwertgriff auf der Brust. Wieder fühlte er, wie er von Ruhe und Sicherheit durchflutet wurde. Es war, als ob das Gewicht der Waffe die wilden Gedanken niederhielt. Endlich glitt er in einen unruhigen Schlaf hinüber.
Wiedergeburt
Fest den Kopf gegen das Gefäß des Schwertes geschmiegt, das er zwischen den Oberschenkeln eingeklemmt hatte, erwachte Kyrrispörr Hæricson. Im ersten Augenblick wusste er nicht, wo er sich befand. Bis er richtig wach geworden war, erlebte er ein Wechselbad von Gefühlen: Erst ergriff ihn eine unbeschreibliche Todesangst, Angst nicht allein um sich, sondern merkwürdigerweise auch um Æringa, dann verspürte er ein Hochgefühl, als er sich daran erinnerte, wie er zum Mann geschlagen worden war; und plötzlich überfiel ihn tiefe Hoffnungslosigkeit, da er Eyvind nur würde enttäuschen können, so unmöglich erschien ihm die Erfüllung der Aufgabe des Meistersehers. Mit klopfendem Herzen klammerte er sich an sein Schwert, und gleichsam, als würde es ihm Kraft schenken, gewann er seine Zuversicht wieder. Und sah sich geehrt ob der Tatsache, dass Eyvindr auch ihn mitnehmen würde auf der Fahrt gegen Olaf Tryggvason.
Gleich, nachdem er seine Schale Grieß ausgelöffelt hatte, wurde er so sehr in Beschlag genommen, dass er keine Zeit mehr für verwirrende Gedanken hatte. Im Schein der aufgehenden Sonne musste er gegen Feilan antreten, und Ormr Hrolofson wies ihn schonungslos immer wieder auf seine Schwächen hin.
Zu Mittag glaubte Kyrrispörr, dass ihm die Arme abfallen müssten. Doch er hatte kaum Zeit, die Fischbrühe aufzuessen, da ließ Eyvindr ihn bereits zur Beratung rufen.
Im Langhaus waren alle Seimenn versammelt, etwa sechzig an der Zahl, und ebenso zahlreich waren die Hersire, die sich allerdings wohlweislich etwas abseits gesetzt hatten. Auch Jarnskegge war darunter und deutete ein grüßendes Nicken an. Der Jarl Hauknefr nickte Kyrrispörr zu, dann hob er sein Prunkhorn, rief Oins Beistand an und ließ es kreisen.
»Kyrrispörr«, sagte Eyvindr, nachdem der Form Genüge getan worden war, »du bist mit König Olaf gefahren. Dein Vater war sein Vertrauter. Du weißt am besten, wohin Olafr sich gewendet haben mag.«
»Ich meine, er sprach von Viken«, sagte Kyrrispörr. Ganz sicher war er
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