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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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herzugeben.
    »Ich brauche dich«, hauchte sie, als er den Kopf zurückzog, griff ihm entschlossen in den Nacken und zwang ihn zu einem neuerlichen Kuss. Ihre Kuppelfibeln drückten sich schmerzhaft in seine Brust. Erst nach einer Weile gelang es ihm, sich zu befreien.
    »Was machst du hier?«, stieß er hervor. »Du bist doch Tryggvasons Weib! Wie kommst du hierher?«
    Guruns Miene verhärtete sich schlagartig.
    »Tryggvason!«
    Sie spie den Namen geradezu aus. »Er ist nicht mein Herr noch mein Mann, nicht mehr und nie wieder!«
    Sie sah Kyrrispörr an, ihr Blick wurde wieder weich.
    »Ich bin ja so froh, dass du wohlauf bist! Ein Kauffahrer hat erzählt, dass du Falkner geworden bist. Du glaubst gar nicht, wie sehr mich das freut. Und gut siehst du aus! Fast so wie damals, als ich dich wieder aufgepäppelt habe.«
    Sie lachte leise. Ein schönes, glockenhelles Lachen war es. Kyrrispörr fühlte wieder sein Herz pochen, wie damals schon. Und wie damals meldete sich nun auch sein Gewissen und bescherte ihm ein merkwürdiges Ziehen im Kopf. Als sie ihn erneut fester umarmte, wollte er sich einerseits widersetzen, es andererseits geschehen lassen.
    »Ich brauche deine Hilfe! Olafr Tryggvason tötet mich, wenn seine Häscher mich finden!«
    »Aber doch nicht hier!«
    Gurun schüttelte den Kopf. Sie, die sie bei der ersten Erwähnung von Olafs Namen war wie ein Eisberg, war plötzlich völlig verzweifelt.
    »Du hast keine Vorstellung davon, wie weit der Arm dieses Königs reicht! Letztes Jahr hat er einen mächtigen Seimann hingerichtet, den seine Schergen durch halb Norwegen hatten jagen müssen. Nein,wenn er erfährt, dass ich hier bin …«
    »Aber hier kennt dich doch keiner.«
    »Du weißt, wie viele Kauffahrer aus Norwegen hier anlanden. Ich bin die Tochter eines mächtigen Bœndi, deines Paten. Ein Knecht von so einem Handelsschiff kann mich ganz leicht erkennen!«
    »Was willst du tun?«
    »Bring deinen Meister dazu, mich bei euch aufzunehmen. Ich helfe im Haushalt und bin flink im Spinnen. Dann sehen wir weiter!«
    Kyrrispörr hatte dem flehenden Blick aus diesem bezaubernden Gesicht nichts entgegenzusetzen. Er wusste das auch und es ärgerte ihn ein wenig, aber selbst ohne das hätte er Gurun als Tochter seines Paten Hilfe gewähren müssen. Auf der anderen Seite ertappte er sich dabei, wie der Gedanke daran eine unbestimmte, aber ungemein wohltuende Aufregung in ihm schürte. Er nickte.
    »Ich muss aber noch zum Goldschmied.«
    Die Dankbarkeit, die auf Guruns Gesicht aufleuchtete, ging ihm durch Mark und Bein.
     
    Allein setzte er den Weg zum Goldschmied fort. Er verstand nicht, wieso Gurun hier war, wo sie doch mit Olaf Tryggvason vermählt war. Es beunruhigte und verwirrte ihn, sie ausgerechnet hier, in der Handelsstadt Heiabýr, wiederzusehen. Nein, er würde schon herausfinden, was sie angetrieben hatte …
    Auf dem Rückweg holte er sie beim Schuppen ab. Sie war sichtlich erleichtert, ihn wiederzusehen, schlug ihren Kopf in ein Tuch ein und tat so, als wäre sie erkältet. Dass sie sich eng an Kyrrispörr hielt, verstärkte das Chaos der Gefühle in ihm.
     
    Hárva und seiner Familie stellte Kyrrispörr Gurun als Verwandte aus Norwegen vor – was sie ja in gewisser Weise auch war –, die für einige Zeit in Heiabýr leben sollte. Zunächst war Hárvar erstaunt, aber nach einer Weile willigte er ein. Nicht ganz unschuldig daran war seine Frau Vigtis, die sich mit der nur wenig älteren Gurun auf Anhieb gut verstand und sichtlich erfreut darüber war, dass Gurun sich für das Weben begeisterte. Ganz und gar fasziniert war sie, als Gurun erwähnte, dass sie die Brettchenweberei eines komplizierten, in Heiabýr noch unbekannten Bortenstils beherrschte.
    Die Feier bei Ketil verlief erstaunlich uninteressant. Kyrrispörr war auch in Gedanken ganz bei Gurun, die mit den Knechten bei Hárva geblieben war, was Vigtis sehr bedauerte.
    Gurun wurde Bestandteil der Hárva’schen Familie, ehe Kyrrispörr ihr Auftauchen vollends erfasst hatte. Noch waren die Abende lang, und Gurun erzählte gern und viel vom fernen Norwegen. Von Olaf Tryggvason erzählte sie wenig, und ihre Heirat mit ihm erwähnte sie mit keinem Wort. Als sie zu Bett gingen, schlief Gurun auf der gleichen Seite wie Kyrrispörr. Auf dem Lager an der gegenüberliegenden Längsseite schliefen Hárvar und seine Familie. Als von dort seliges Schnarchen tiefen Schlaf verriet, drehte sich Kyrrispörr zu Gurun um. Sie tat nicht einmal so, als ob sie

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