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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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Opferritual gemacht, das von ihm offenbar angenommen worden war. Ohne Schwierigkeiten umsegelten sie gefährliche Klippen an der Küste und wurden geradezu von selbst in den Fjord hineingetrieben. Regelmäßig wurde ein Schwimmer ins Wasser geworfen und die Zeit abgezählt, die er zum Passieren des Bootes benötigte: So ließ sich die Geschwindigkeit recht gut einschätzen. Eine Anzahl an Fischerbooten nutzte das günstige Wetter und holte die Netze ein.
    Die Felsen zu beiden Seiten rückten an die Fahrrinne heran. Bergrücken um Bergrücken schob sich aus dem leicht diesigen Licht hervor wie die Hornplatten eines gewaltigen Drachen. Sie ließen einen Ort zur Rechten hinter sich, dann wurde das Segel gerefft. Von nun an hieß es rudern: Sie schlugen den Wen in einen Seitenarm ein, der genaueres Steuern erforderlich machte.
    Die weißen Bahnen von Wasserfällen verliehen den tief hängenden Wolken den Eindruck, als würden sie aus den Kämmen der Berge Schleier in den Fjord hinablassen. Ein Schwan eilte im Startanlauf an Backbord vorbei, das Klatschen seiner Flügel wirkte unnatürlich laut. Kyrrispörr fühlte sich durchdrungen von der Kraft der Götter, die hier im Gegensatz zu Heiabýr jenem Tryggvason zum Trotze immer noch überwältigend stark waren. Er schrak zusammen, als der Ruf einer Krähe von den dicht beieinanderstehenden Felswänden widerhallte. Dann war da wieder nur das Schlagen der Ruder und das Plätschern des Wassers am Bug. Gelegentlich rief der Mann am Bug eine Kurskorrektur zum Kapitän, der aufrecht am Heck stand, das Steuer fest in den Pranken, und ähnlich ergriffen wie Kyrrispörr geradeaus starrte.
    Der Bugmann deutete mit einem Ausruf schräg vor sie. Die Mündung war erst zu erkennen, als sie nahe bei ihr waren: Verborgen zwischen den Falten des Bergrückens ging eine äußerst schmale Schlucht ab. Der Kapitän bestätigte mit einem Nicken, und Kyrrispörr dachte schon, er würde daran vorbeifahren, als er das Boot in einem weit ausholenden Bogen genau darauf zuführte.
    Mit Christians Knorr hätten sie in dem Flüsschen ihre liebe Not gehabt. Die Strömung war erträglich, sobald man sich an den höheren Kraftaufwand gewöhnt hatte. Trotzdem hoffte Kyrrispörr, dass sie bald am Ziel waren. Der Fluss schlängelte sich an dichten Wäldern und fast senkrecht aufragenden Felsgraten vorbei, und an einer Stelle hatten sie mit einer Seitenströmung zu kämpfen, die ein weiß schäumender Wasserfall von Steuerbord gegen das Boot warf. Ein eisiger Hauch wehte von dem Schmelzwasser zu ihnen hinüber. Ein Fischadler stieß gar nicht weit von ihrem Heck ins Wasser, tauchte unter und arbeitete sich gleich darauf unter Flügelschlagen wieder in die Luft empor. Beide Klauen in einen großen Fisch geschlagen, dass es aussah, als reite er auf einem silbernen Speer, zog er übers Boot hinweg.
    Trotz des anstrengenden Ruderns ergriff Kyrrispörr ein eigentümliches Gefühl: Ihm war, als stehe er am Beginn schicksalsschwerer Tage, es war das Gleiche, was er zu Eyvinds Verkündigung zu seiner Bestimmung empfunden hatte. Diesmal jedoch ging es mit einer unfassbaren Sicherheit einher, dass es ihm dieses Mal gelingen würde. Erfüllt von heiliger Gewissheit, spürte er die Anstrengung nicht mehr.
    Der Klang von Sägen und Axtschlägen verriet als Erstes, dass sie sich ihrem Ziel näherten. Der Fluss machte einen weiten Bogen, und sogleich tauchte vor dem Bug ihres Skuder ein breiter Strand auf. Kyrrispörr sah ihn, als er auf den Ruf des Bugmanns hin den Kopf drehte. Mehrere Fischerboote lagen am Ufer, das sanft bis zu den ersten Hütten anstieg. Dahinter war der Giebel eines Langhauses zu sehen. Darüber ragte die zerfurchte Wand eines Berges, die sich im Weiß der Wolken verlor. Einige Menschen arbeiteten an den Booten. Als sie den Skuder gewahrten, ließen sie ihr Werkzeug sinken und verschwanden in Richtung Langhaus. Sie waren noch zu weit entfernt, als dass Kyrrispörr ihre Rufe hätte verstehen können. Dann musste er sich wieder umdrehen, weil ihm der Nacken wehzutun begann.
    »Langsam rudern!«, befahl der Kapitän und bediente gefühlvoll das Ruder, während ein Mann mit einer langen Stange den Grund vor dem Bug sondierte. »Langsam … Gleich kommt das Ufer … Achtung … Und jetzt Schwung! Los! Los! Los!«
    Sie legten sich mit aller Kraft in die Riemen und ein Knirschen und Rucken verriet, dass sie wie gewünscht am Ufer aufgelaufen waren. Sie warfen zwei Ankersteine aus, und nachdem der Kapitän

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