Die Magie des Falken
als Gemahlin des Dänenkönigs! Die Wege der Götter sind wahrlich unergründlich.«
»Das ist Gottes Gnade, genau wie ich es dir erzählt habe«, sagte Æringa, und ihr Blick hatte einen verzückten Zug angenommen. »Er liebt alle, sogar die Wesen der Luft. Seine Liebe ist wirklich wunderbar.«
Hvelpr sah sie verwirrt an.
»Ich muss weitermachen«, sagte Kyrrispörr hastig. »Die schlechten Vögel müssen noch fertig gemacht werden.«
Die Königin, die einst Olaf heiraten wollte
G anz besonders mit dem Sperberterzel, aber auch mit den anderen Falken hatte Kyrrispörr viel zu tun. Der Sperber hatte ohnehin ein unruhiges Gemüt und erweckte stets den Eindruck, als wolle er jeden Augenblick Kyrrispörr mit Haut und Haaren verschlingen. Beinahe hätte der kleine Greifvogel ihm die Fänge in den Arm geschlagen, als Kyrrispörr für einen Augenblick unachtsam war. Doch Kyrrispörr wusste, dass die gefährlich glänzenden, blutroten Augen des Vogels kein bisschen übertrieben waren: Um einen Singvogel zu greifen, verfolgte er ihn, wenn es sein musste mitten durch dichtes Gestrüpp, ohne seinen Flug auch nur abzubremsen. Das Kerlchen war das reinste Energiebündel.
Seinen Überschnabel zurechtzustutzen und die Beck sorgsam zu polieren, war eine Herausforderung, für die ein Mann nicht genügte. So hatte Kyrrispörr gar keine Zeit dafür, Guruns plötzlicher Ruhe einen Gedanken zu schenken – sie war an diesem Nachmittag ohnehin kaum da. Ihm sollte es recht sein. Er musste immer noch daran denken, mit welcher Gewissheit sie behauptet hatte, Æringa sei tot.
Die Ankunft Sveinn Tjúguskeggs war nicht besonders feierlich. Wer nichts davon wusste, hielt es wohl für eine von Sveins Kriegsflotten, wäre da nicht des Königs prachtvolles Drachenschiff unter ihnen gewesen. Im Hafen waren vor allem die Zolleintreiber und der Jarl der Stadt aufgeregt, neben einigen Händlern, die dem König gleich hier ihre feine Ware anbieten wollten. Kyrrispörr hatte keine Zeit, um der Einfahrt beizuwohnen, er traf mit Hárva die letzten Vorbereitungen für den Empfang des Königs, gemeinsam mit den Frauen, die sich um das Innere des Hauses kümmerten. Æringa war neugierig, den Herrscher der Dänen zu sehen. Gurun hingegen war von einer fiebrigen Erwartung erfasst, die die normale Aufregung bei Weitem übertraf und die Kyrrispörr sich nicht recht erklären konnte. Gemeinsam mit Hárvas Frau prüfte sie die Speisen, die als Naschwerk bereitstehen sollten, insbesondere die süßen Backpflaumen in Speck und das Honiggebäck. Dabei konnte Kyrrispörr sich kaum vorstellen, dass der König eine Vorliebe für Süßes haben sollte. Immerhin blieb den Frauen damit kaum Zeit für Streitereien.
Und dann kam der König der Dänen. Seine Erscheinung war ähnlich der von Olaf Tryggvason; aber sein Auftreten war ganz anders. Da waren seine Huskarls, derer zwei ihm durch die Straße zur Falknerei voranschritten, in knielange Kettenpanzer gehüllt, behelmte Krieger von kräftigem Bau, die einander glichen, als wären sie Zwillinge. Dies lag allerdings nur an ihren gleich gefertigten Rüstungen. Wo sich bei Olaf ein jeder nach seinen Möglichkeiten rüstete, schien es bei Sveinnr, als käme alles aus der Hand eines Plattners und eines Schneiders. Neben den Bewaffneten folgten ihm ein Schreiber und ein anderer Mann in kostbaren Gewändern auf Schritt und Tritt. Auch das Auftreten des Königs selbst war ganz anders: Wo Olafr kumpelhaft oder aufbrausend war, war Sveinn stets geschäftsmäßig. An seiner Seite aber schritt Sigri. Mochte es auch einige Jahre her und Kyrrispörr noch jung gewesen sein: Er erkannte die stolze Frau sofort. Der fordernde Blick unter den gedrehten Locken hatte nichts von seiner Willenskraft eingebüßt.
Hárvar und der König tauschten Höflichkeiten aus, ehe er ihn ins Haus führte. Kyrrispörr glaubte, ein Wiedererkennen in Sigris Zügen zu finden, als sie Laggar sah. Und als ob er sie ebenfalls erkannte, blieb Laggar ruhig auf Kyrrispörrs Faust und erlaubte es, dass sie die Hand ausstreckte und ihm übers Gefieder strich. Anschließend wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem Sperber zu, ganz wie Hárvar es vorausgesagt hatte: Ein liebevolles Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie den kleinen Vogel betrachtete.
Auch König Tjúguskegg begutachtete die Vögel mit Wohlwollen. Als sie sich danach niederließen, um den Backpflaumen und den anderen Köstlichkeiten zuzusprechen, sahen sich Sigri und Gurun zum ersten Mal seit der
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