Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
zu jedem Gefährten und strich ihm zur Begrüßung über die Wange, die Hand oder die Schulter.
Instinktiv antworteten Grigán, Rey und Léti ihm auf die gleiche Weise. Die anderen wagten sich nicht zu rühren, während der Seltsame ihnen zum zweiten Mal seine göttliche Berührung zukommen ließ.
Sie hatten eigentlich damit gerechnet, etwas Besonderes zu empfinden, eine Wärme, ein Kribbeln oder einen Schauer. Doch sie spürten nur eine sanfte Berührung.
Rey räusperte sich und trat einen Schritt auf Nol zu, während seine Gefährten ihm flehentliche Blicke zuwarfen. Alle fürchteten, er könnte einen Fehler mit unabsehbaren Folgen begehen.
»Verzeiht, äh … Nol, nicht wahr? Warum begrüßt Ihr uns mit den Worten: ›Willkommen zu Hause‹? Und nicht: ›Willkommen im Jal’dara‹ oder so etwas in der Art?«
»Fühlt Ihr Euch in meinem Tal denn nicht zu Hause?«, fragte der Seltsame mit einem Lächeln.
»Meister …«, stammelte Corenn. »Verzeiht, Eure Exzellenz … Göttliche Exzellenz … Äh … Heilige Mutter Eurydis, wie spricht man einen Gott an?«
»Der Name ist mehr wert als alle Titel«, antwortete Nol. »Nennt mich einfach bei meinem Namen.«
Lana, die hinter Grigán stand, schluchzte auf, und Rey trat zu ihr und nahm sie in den Arm. Die Priesterin wurde von ihren Gefühlen überwältigt und weinte an seiner Brust.
»Es ist alles in Ordnung«, wiederholte er immer wieder. »Warum weint Ihr? Es ist alles in Ordnung, Lana.«
»Es ist wie in einem Traum«, murmelte sie zwischen zwei Schluchzern. »Diese Worte … Sie gehören zum Zeitalter von Ys, Reyan. Es ist einfach zu schön. Das alles hier ist zu schön. Ach, warum sind die Menschen nur so grausam.«
Auch Léti liefen einige Tränen über die Wangen, und selbst Bowbaqs Augen wurden feucht. Nol hatte sich nicht gerührt. In den nächsten Tagen würden die Erben noch häufiger erleben, dass er sich aus allem heraushielt. Er stand einfach nur lächelnd und reglos da. Nichts verriet, dass er ihrem Gespräch folgte.
»Nol«, sagte Corenn und bemühte sich, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Wisst Ihr, wer wir sind?«
»Die Menschen haben mir nicht die Macht gegeben, in die Zukunft zu sehen«, sagte Nol. »Ist das denn von Bedeutung?«, fragte er freundlich, als er Corenns enttäuschten Gesichtsausdruck sah.
»Dann haben wir eine Überraschung für Euch«, warf Grigán ein, der sich über die Gelegenheit freute, einen Gott aus der Fassung zu bringen. »Wir sind die Nachkommen der Gesandten von der Insel Ji.«
Nols Lächeln erstarb, während er die Sterblichen musterte. Yan hätte schwören können, eine Falte auf der Stirn des Ewigen Wächters zu sehen, dessen Augen trauriger denn je blickten.
Corenn brauchte einen halben Dekant, um Nol in groben Zügen zu schildern, was den Gesandten seit ihrem Besuch im Jal’dara widerfahren und wie es ihren Nachkommen ergangen war. Nur einen halben Dekant, um von zweihundert Menschen aus vier Generationen zu erzählen. Sie fasste sich mit Absicht kurz und kam bald zum düsteren Ende: Sie berichtete von ihrer Verfolgung durch die Züu, von Saat und dem Krieg, der die Oberen Königreiche bedrohte.
So hatten die Erben etwas Zeit, sich an die Anwesenheit des Ewigen Wächters zu gewöhnen, auch wenn sie in seiner Gegenwart noch immer nicht ganz unbefangen waren. Nach anfänglichen Hemmungen fand Corenn ihre Wortgewandtheit wieder. Mit ihrer lebendigen, klaren Erzählweise schlug sie nicht nur den Gott, sondern auch ihre Freunde in den Bann, obwohl diese die Geschichte kannten und vieles selbst miterlebt hatten. Corenn schilderte ihr Abenteuer Schritt für Schritt und machte regelmäßig Pausen, weil sie hoffte, dass Nol ihr zustimmen, sie berichtigen oder die eine oder andere Erklärung liefern würde. Der Gott lauschte aufmerksam, blieb jedoch bis zum Ende stumm.
Schließlich schwieg auch Corenn. Ihre Erzählung war an der Stelle angelangt, an der die Gefährten die Pforte ins Jal’dara durchschritten hatten. Nol kannte nun ihr ganzes Abenteuer. Ängstlich warteten die Erben auf eine Reaktion des Gottes, auf einen Hoffnungsschimmer, auf ein Zeichen, dass sie nicht vergeblich gekommen waren. Nol dachte lange nach und starrte vor sich auf die Wiese, auf der sie sich niedergelassen hatten.
»Eigentlich eine nette Geschichte, oder? Würde ein gutes Märchen abgeben«, warf Rey ein, um das Schweigen zu brechen.
Den Erben war nicht zum Lachen zumute. Ihre Blicke waren auf den Ewigen
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