Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
glaube nicht. Aber man weiß es nie. Der kurze Anblick der Flammen dürfte ihn eigentlich nicht dazu verführen, in die Unterwelt hinabzusteigen. Allerdings hat schon Geringfügigeres die Persönlichkeit eines Kindes entscheidend beeinflusst.«
Nols Worte lasteten schwer auf Yans Gewissen. Ungewollt hatte er auf ein Götterkind eingewirkt. Vielleicht war der Schaden nicht groß, aber die Ungewissheit quälte ihn.
»Hat es begriffen, wovon wir sprachen?«, fragte Corenn.
»Das ist unwahrscheinlich. Die Kinder lauschen eigentlich nur den Gedanken der Sterblichen, nicht so sehr ihren Worten. Sie messen Taten ohnehin viel mehr Bedeutung zu als Worten. Wenn es noch einmal zu einer solchen Begegnung kommen sollte, vermeidet alles, was irgendwie bedrohlich wirken könnte. Zu Eurer eigenen Sicherheit und im Interesse der ganzen Menschheit«, sagte Nol ernst.
»Warum?«, fragte Rey munter. »Würde sich das Kind sonst in ein blutrünstiges Ungeheuer verwandeln, oder was?«
»So etwas in der Art«, bestätigte Nol. »Solltet Ihr eins der Kinder schlagen, würde es Euch höchstwahrscheinlich mit sich hinab in die Unterwelt nehmen. Und weder das Kind noch Ihr würdet jemals wieder dort herauskommen.«
»Was hat es eigentlich mit dieser Unterwelt auf sich?«, fragte Lana. »Was ist das Jal’karu?«
Nol musterte sie, ohne ihre Frage zu beantworten. Die Maz hatte den Eindruck, einen unverzeihlichen Fehler begangen zu haben.
»Es ist besser, dieses Wort im Jal’dara nicht in den Mund zu nehmen«, sagte er schließlich. »Hier sprechen wir nur von der Unterwelt.«
»Aber was ist die Unterwelt?«, beharrte Léti. »Unsere Vorfahren waren dort. Und Saat ebenfalls. Was ist dort unten geschehen?«
»Lasst uns mit diesen Fragen warten, bis Grigán wieder gesund ist«, schlug Corenn vor.
Den Grund musste sie niemandem erklären. Obwohl alle vor Neugier platzten, wollten sie ihre Suche gemeinsam mit dem Krieger zu Ende führen. Dass sie überhaupt noch am Leben waren, war vor allem sein Verdienst. Sich in Geduld zu fassen, war ihre Art, ihm Dankbarkeit zu zeigen.
Noch eine andere Frage ließ Corenn keine Ruhe. Das unerwartete Erscheinen des Kindes hatte sie mitten in einem Gespräch unterbrochen. Die Gefährten hatten mit Nol über das Gwel und das Heranwachsen der Götter gesprochen, und darüber, dass die Götter dem Sinn der Menschen entsprangen.
»Hier im Jal’dara treffen Magie und Religion aufeinander«, murmelte sie halb zu sich selbst.
»Wovon sprecht Ihr?«, fragte Lana.
»Vom Glauben und vom magischen Willen«, antwortete Corenn, die selbst noch nicht so genau wusste, worauf sie hinauswollte. »Offenbar wirken sie auf ähnliche Weise. Der menschliche Glaube ist ein mächtiger magischer Wille. Er beeinflusst die Kinder, und ihr Absorbium ist so groß, dass sie äußerst empfänglich für Magie sind. Wenn sie dann eines Tages vollendet sind, verlassen sie das Jal’dara.«
»Was ist mit den Priestern?«, fragte Rey. »Das würde ja bedeuten, dass ein Magier mehr Einfluss auf die Götter hat als jeder Maz.«
»Und davon abgesehen«, warf Lana ein, »ist die eurydische Religion eine Moralreligion. Unser Ziel ist es nicht, von der Göttin erhört zu werden, sondern ihre Tugenden zu verbreiten.«
»Ihr seid so bezaubernd wie weise«, sagte Rey aufrichtig. Lana errötete und warf dem Mann, der sie so charmant umwarb, einen liebevollen Blick zu. Nols Antwort hörte sie kaum noch.
»Im Gegenteil, Priester sind von großer Bedeutung«, sagte der Ewige Wächter. »Die Kinder lauschen den Gedanken der Sterblichen, haben aber keinen Einfluss auf sie. Deshalb sind die Gebete, die ihre Anhänger an sie richten, genauso mächtig wie Magie. Ohne ihre Maz hätte Eurydis das Tal noch immer nicht verlassen.«
»Vielleicht hat der Glaube der Priester das Gwel ja überhaupt erst erschaffen«, sagte Yan nachdenklich. »Je mehr Aufmerksamkeit etwas erfährt, desto größer ist sein Anteil an Absorbium.«
»Das ist mir zu hoch«, sagte Bowbaq.
»Eins verstehe ich jetzt besser«, sagte Corenn. »Als wir uns im Tiefen Turm von Romin die Gespenster vom Leib hielten, indem wir Eurydis’ Namen riefen, war die Wirkung noch stärker, wenn ich gleichzeitig meinen Willen auf sie richtete. Magischer Wille und Glaube sind eng miteinander verbunden.«
»Mir ist das auch zu hoch«, sagte Léti gelangweilt.
»Aber warum half es überhaupt, den Namen der Göttin zu rufen? Welche Macht haben die Götter?«, fragte Rey. Bei dem Gedanken, er
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