Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
werden zu Tode gefoltert. Sie alle sind unschuldig. In diesem Dorf wird niemand am Leben bleiben, nicht einmal die Tiere. Ihnen schneiden die wahnsinnigsten von Prinz Alebs Männern die Kehlen durch. Grigán rührt sich nicht. Er ist machtlos.
Über der Szene schwebt ein Bild, fein wie Nebel, der das Grauen verhüllt. Das Gesicht einer Frau mit dunkelbraunem Haar, brauner Haut und blauen Augen, die Lippen zu einem ewigen Lächeln erstarrt. Eine Ramgrith. Seine Versprochene.
»Héline«, murmelte er im Schlaf.
Doch die Frau antwortet nicht. Ihr Lächeln ist unverändert. Es ist die letzte Erinnerung an sie, bevor er den Unteren Königreichen für immer den Rücken gekehrt hat.
Er hat sie verlassen. Das Wort hallt durch seinen Kopf wie das Echo der Argosfelsen. Verlassen. Verlassen. Verlassen.
Zorn wallt in ihm auf, und er will etwas tun, dort oben auf dem Hügel, er will ins Dorf hinunterreiten und den unschuldigen Quesraben zu Hilfe kommen. Doch er ist wie gelähmt. Er spürt das Atmen seines Pferds, die Kälte der Nacht, das Krummschwert an seiner Hüfte. Aber sein Körper will ihm einfach nicht gehorchen. Nichts von alldem ist Wirklichkeit. Es ist nur eine Erinnerung.
Verlassen. Das Gesicht einer anderen Frau schwebt nun über dem Gemetzel. Älter, sorgenvoller. Keine Ramgrith. Aber genauso liebenswert. Auch sie lächelt. Und sie lebt. Corenn. Verlassen. Nie wieder. Verlassen. Nein!
Der Krieger ringt mit der Erinnerung an die Toten und seiner Verantwortung für die Lebenden. Es ist der schwerste Kampf seines Lebens. Wenn er ihn verliert, wird er nie wieder kämpfen müssen. Mit aller Kraft konzentriert er sich auf Corenns Bild und auf seine Angst, noch einmal jemanden zu verlassen.
Vielleicht ist es das, was Magier den Willen nennen. Es kommt ihm vor, als kämpfte er mehrere Tage lang gegen sich selbst. Er schöpft Kraft aus den Bildern der Vergangenheit, um sie endlich loslassen zu können. Er redet sich ein, dass er nicht auf diese Weise sterben darf, ohne sein Leben für jemand anderen hinzugeben. Sein Tod muss einen Sinn haben. Das ist die einzige Möglichkeit, für die Fehler der Vergangenheit zu büßen. Die einzige Möglichkeit, seine Mitschuld an dem Massaker von Quesraba abzutragen. Die einzige Möglichkeit, sich selbst zu vergeben, dass er einen geliebten Menschen verlassen hat.
Nun hat er Gewissheit. Er darf nicht weiterschlafen. Der Tod wird warten müssen. Er hat Wichtigeres zu tun.
Er schlug die Augen auf. Und sah den Himmel des Jal’dara.
»Alter Nichtsnutz!«, rief Rey fröhlich. »Seit zwei Tagen macht Ihr Euch einen faulen Lenz!«
Als Grigán erwachte, fiel den Erben ein Stein vom Herzen, auch wenn sich sein Zustand schon vorher leicht gebessert hatte. Auf die erste Nacht, in der Yan und Corenn das Feuer mit Magie am Leben erhalten hatten, folgte ein ruhigerer Tag, an dem ein wenig Frieden auf Grigáns Gesicht lag.
Nol, der auf die baldige Genesung des Kranken vertraute, hatte seine Besucher mehrere Dekanten allein gelassen. Am Morgen ihres dritten Tages im Jal’dara, nach einer weiteren durchwachten Nacht, hatte sich der Ewige Wächter immer noch nicht wieder blicken gelassen. Und obwohl Grigán mittlerweile außer Gefahr schien, hatten seine Gefährten ungeduldig darauf gewartet, dass er aufwachte. Jetzt konnte Rey die frohe Botschaft verkünden.
Wie nach jeder überstandenen Gefahr brachten die Erben ihre Freude mit Neckereien und übermütigen Scherzen zum Ausdruck. Nur der Held des Augenblicks litt unter einer unerklärlichen Melancholie. Trotzdem bemühte er sich, das Glück seiner Freunde zu teilen, und alle wussten, dass Grigán bald wieder voller Tatendrang sein würde.
»Habt Ihr etwas in Erfahrung gebracht?«, fragte er begierig.
»Nicht viel«, antwortete Rey leichthin. »Nur ein bisschen was über die Entstehung der Götter, den Zauber des Jal’dara und den Ursprung der Religion. Das Übliche eben.«
Corenn lieferte eine ernsthaftere und etwas ausführlichere Zusammenfassung der Dinge, die sie von Nol erfahren hatten, und beantwortete Grigáns Fragen. Dieser ärgerte sich, dass er die Gespräche versäumt hatte, zeigte sich aber umso gerührter, dass seine Freunde so rücksichtsvoll gewesen waren, Nol noch nicht zu ihren Vorfahren und vor allem zu Saat zu befragen. Das Warten hatte ihre Neugier allerdings noch gesteigert - bei ihrer nächsten Begegnung würde der Lehrende eine Menge Antworten geben müssen.
»Hat er gesagt, wann er zurückkommt?«,
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