Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
sich in Geduld fassen und sich auf diesen Tag vorbereiten. Er wandte sich dem Sklaven zu, den er zu sich befohlen hatte: ein kleiner Junge von sechs oder sieben Jahren, von dessen Körper er Besitz ergreifen würde.
Seit einem halben Dekant lag Rey auf der Lauer, ohne in dem Dorf, auf das er gestoßen war, auch nur das geringste Lebenszeichen zu entdecken. Es war offensichtlich ausgeplündert worden, und sämtliche Bewohner schienen geflohen zu sein.
Die meisten Holzhütten waren zerstört, manche sogar vollständig niedergebrannt. Die Tore zweier leerer Viehweiden standen weit offen. Weit und breit gab es nichts mehr, das heil geblieben war. Ein Karren war umgestürzt und zertrümmert worden. Überall lag zerbrochenes Geschirr, hier und da hingen Stofffetzen im zerfurchten Boden und flatterten hilflos im Wind. Das Ganze konnte ebenso gut vor einer Dekade wie vor mehreren Monden passiert sein.
Das Dorf war ausgestorben. Er konnte den Tod förmlich spüren. Dennoch waren auf den steinigen Wegen keine Leichen zu sehen, weder von Menschen noch von Tieren, und das machte den Ort seltsamerweise noch unheimlicher.
Um sich frei bewegen zu können, legte Rey sein Bündel, die Lowa und den Gürtel des Wallatten ab. Dann trat er aus seinem Versteck und pirschte sich mit klopfendem Herzen an die Häuser heran. Da er weithin zu sehen war und ihm seine eigenen Schritte in der bedrückenden Stille wie Donner in den Ohren hallten, kam ihm die Armbrust, die er umklammerte, ziemlich lächerlich vor.
Unbehelligt erreichte er die ersten Häuser. Es waren flache, wuchtige Bauten, die halb im steinigen Boden verschwanden. Die Türen und Fenster waren schmal und von innen mit schweren Läden verschlossen. Wer solche Häuser baute, wollte sich vor der Kälte schützen - und vor Angriffen. Im Grunde bestand das Dorf aus lauter kleinen Festungen.
Rey ging an drei Häusern vorbei, deren Türen sperrangelweit offen standen. Da er nicht damit rechnete, darin etwas Nützliches zu finden, ließ er sie links liegen. Eigentlich wusste er gar nicht so recht, was er in dem Dorf wollte. Er wurde nur von einer dunklen Vorahnung getrieben.
So blieb er schließlich vor dem größten Gebäude stehen. Es war das einzige Haus ohne Fenster, was seinem scharfen Auge nicht entgangen war. Als er näher kam, erkannte er, dass die Fenster zugemauert waren. Ein Haufen aufgeschütteter Steine versperrte die Tür.
Böses ahnend, umrundete er das Haus und stellte fest, dass der Überfall vermutlich schon einige Dekaden zurücklag. Endlich stieß er auf eine Öffnung, einen schmalen, fußhohen Schlitz, den die Angreifer wohl absichtlich offen gelassen hatten. Rey nahm seinen ganzen Mut zusammen und versuchte, einen Blick ins Innere zu werfen. Doch er kam nicht nah genug heran und gab das Vorhaben gleich wieder auf, als ihn ein heftiger Brechreiz ergriff. Der Gestank, der aus dem Gebäude drang, war unerträglich und bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen.
Er konnte trotzdem nicht umhin, von außen an die Mauer zu klopfen, und zuckte zusammen, als er die Schläge dumpf im Innern widerhallen hörte. Ihm graute vor dem Gedanken, eine Antwort zu erhalten. Aber natürlich blieb alles still.
Die Menschen, die man dort eingemauert hatte, waren schon lange tot.
Rey verfluchte den Hexer, der diese Gräueltat zu verantworten hatte. Seine Gefangenschaft im Labyrinth des Jal’karu musste Saat so verstört haben, dass er seinen Feinden das gleiche unerträgliche Leid zufügen wollte. Rey verzichtete darauf, die Tür freizuschaufeln und sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass hier Menschen einen qualvollen Tod gestorben waren, in Dunkelheit und Kälte, umgeben von Ungeziefer und Verwesungsgeruch, bis auch der Letzte erstickt oder verhungert war.
Nichts hielt ihn mehr an diesem Unglücksort. Rey holte seine Ausrüstung und marschierte weiter auf die Berge zu. Irgendwo dort, am Fuße des Rideau, war Saat. Er musste den Magier aufhalten.
Yan war es ein Rätsel, wie Grigán es geschafft hatte, sie an ihr Ziel zu führen. Seit sie das Jal’karu verlassen hatten, waren zwei Nächte vergangen. Zwei Nächte und drei Tage waren sie unentwegt voranmarschiert, hatten nie länger als nötig Rast gemacht und möglichst wenig gesprochen, damit ihre Kehlen in der sengenden Hitze der Tsched nicht austrockneten.
Dabei hatten sie nichts als Sand gesehen, Sand über Sand. Sie waren keiner Menschenseele begegnet, und die Landschaft hatte immer
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