Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
Tuch über, das er einem der Angreifer abgenommen hatte.
Als Nächstes legte er sich den Gürtel mit den Vorratsbeuteln um und befestigte die furchterregende Lowa daran. Da die Täuschung ohnehin nur von weitem funktionierte, beschloss er, sein Rapier, seine Armbrust und knapp die Hälfte seiner Ausrüstung zu behalten. Alles Übrige, darunter auch das verbliebene Gold aus dem Kleinen Palast, versteckte er unter einem Dornbusch.
Sollte er scheitern, würde ihm der Schatz nichts mehr nützen. Doch Rey zwang sich zur Zuversicht. Sein Plan war eigentlich ganz einfach: Er musste sich nur an Saat heranschleichen und ihn für seine Verbrechen büßen lassen.
Dummerweise hatte er keine Ahnung, wo sich der Hexer aufhielt - außer, dass er sich am Fuß eines Bergs befand.
Corenn blickte nach Süden und fragte sich, in welcher Richtung Griteh wohl lag. Dabei konnte sie nicht einmal genau sagen, wo sie selbst gelandet war. Sie stand mit den Füßen im Schnee, eingehüllt in den Pelz eines unbekannten Tiers, und ließ den Blick über den Horizont schweifen.
Sie war als Erste aufgewacht und hatte eine Weile gebraucht, um Albtraum und Wirklichkeit zu unterscheiden. In vielerlei Hinsicht ähnelten sich beide. Keiner der Erben war der Erzfeind. Grigán war nicht mehr da, um sie zu beschützen, und auch Yan und Rey waren von ihnen getrennt worden. Corenn machte sich nichts vor: Diese Nacht war das Ende der Gefährten gewesen. Wie groß waren ihre Aussichten, jemals wieder zueinander zu finden? Nicht sehr groß. Es war hoffnungslos.
Corenn verwünschte die Verletzung, die ihr das Bewusstsein geraubt hatte. Wäre sie bei Sinnen gewesen, hätte sie verhindern können, dass die Erben auseinandergingen. Von Anfang an hatte sie für den Zusammenhalt ihrer kleinen Gemeinschaft gesorgt. Sie hatte Grigáns schneidenden Befehlston, Reys freche Streiche, Létis Launen und Lanas übertriebene Empfindsamkeit zu mildern gewusst, und so waren zwischen ihnen mit der Zeit ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und eine tiefe Freundschaft entstanden.
Doch das Schicksal hatte es anders gewollt …
Bislang war sich Corenn trotz aller Gefahren und Enttäuschungen stets sicher gewesen, was zu tun war und wohin sie gehen sollten, welchen Spuren sie folgen und welche Hoffnungen sie hegen konnten. Jetzt, wo alles aus war, wusste sie keinen Rat mehr. Yan, Rey und Grigán waren verschwunden. Die nächsten Tage lagen im Ungewissen. Sie konnte die Sache so oft hin und her wenden, wie sie wollte, ihnen blieb nicht einmal der Hauch einer Chance, Saat zu besiegen - selbst wenn der Magier nicht mit einem Dämon verbündet gewesen wäre.
Die Zukunft, die Usul offenbart hatte, hatten die Erben nicht zu ändern vermocht. Wie es der Wissende vorhergesagt hatte, würde der Zusammenschluss der Länder des Ostens die Oberen Königreiche schon bald vernichten. Sie selbst, Grigán und die anderen hatten versagt und würden wohl den vergifteten Dolchen der Züu zum Opfer fallen. Trotz ihres scharfen Verstandes und ihrer Charakterstärke, die sie sonst stets vor der Verzweiflung bewahrte, sah Corenn keinen Ausweg mehr.
»Tante … Komm herein ins Warme«, bat sie eine geliebte Stimme leise.
Corenn drehte sich um und schloss Léti in die Arme. Léti hatte schon so viel Kummer erlitten, seit sie aufgebrochen waren, und gab sich jetzt so erstaunlich stark, obwohl sie allen Grund zum Weinen hatte. Corenn drückte ihre Nichte an sich und wiegte sie sanft, wie sie es mit einem Säugling getan hätte. Doch das Mädchen war zu einer Frau herangewachsen, und als sie die Umarmung erwiderte, klirrte ihr Kettenhemd. Corenn war vermutlich die Letzte, die es sich eingestand: Ihre kleine Léti aus dem Fischerdorf war zu einer Kriegerin geworden. Und angesichts des bevorstehenden Krieges konnte man froh sein, wenn sich die junge Generation der Oberen Königreiche zu verteidigen lernte.
Untergehakt kehrten sie in die Jagdhütte zurück. Sie hatten kein weiteres Wort gewechselt, doch glücklicherweise bot ihnen Bowbaq nun genügend angenehmen Gesprächsstoff. Beim Anblick des nahrhaften Frühstücks, das er ihnen auftischte, lobte Corenn die Umsicht und Gastfreundlichkeit des arkischen Volkes in den höchsten Tönen. Trockenfrüchte, Getreidefladen, Rauchfleisch und Fluffbrot häuften sich auf dem kleinen Tisch aus Rindenbaumholz. Ein großer Kessel und mehrere Tassen warteten nur darauf, mit warmem Milo gefüllt zu werden und den süßen Duft des Lieblingsgetränks der
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