Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
genügte Mir, um die Anwesenheit der drei Unbekannten zu dulden. Nachdem er jede beschnuppert und sich von ihrer Gutwilligkeit überzeugt hatte, nahm er sie wie selbstverständlich in sein Rudel auf. Hätte Bowbaq nicht mit ihm gesprochen, hätte er sie womöglich angegriffen.
»Wie weich er ist!«, sagte Lana und klopfte ihm behutsam den Schnee vom Fell.
»Bestimmt hat ihn Ispen gebürstet«, erwiderte Bowbaq, dem bei diesem Gedanken warm ums Herz wurde. »Prad liebt es, auf ihm zu reiten, und sie hat es nicht gern, wenn unser Sohn schmutzig nach Hause kommt. Ach, meine Kinder, meine Kinder!«, rief er sehnsüchtig.
Corenn betrachtete das mächtige Tier nachdenklich. Ihr war soeben eine Idee gekommen. Wenn es gut ging, würden sie eine Sorge weniger haben. »Bowbaq, hast du die Steine bei dir, die du für deine Familie mitgenommen hast?«
Hoffnungsvoll zeigte er ihr die Dara-Steine. Was auch immer Corenn vorschlug, er würde ihren Rat befolgen. Das Wiedersehen mit Mir hatte ihm seine Zuversicht zurückgegeben.
»Kannst du deinem Löwen genaue Anweisungen geben?«
»Ich kann ihm alles auftragen, was ihn nicht in Gefahr bringt oder zu kompliziert zu verstehen ist.«
»Kann Ispen lesen?«
»Nein«, gab Bowbaq bekümmert zu.
Corenns enttäuschte Miene sprach Bände. Das machte ihren schönen Plan zunichte.
»Was willst du denn schreiben, Freundin Corenn?«
»Ich wollte Mir mit den Steinen zu deiner Familie zurückschicken«, sagte sie seufzend. »Aber wir müssen ihnen unbedingt einschärfen, sie immer bei sich zu tragen. Sonst machen wir alles nur noch schlimmer.«
Bowbaq dachte eine Weile nach, verstand aber immer noch nicht ganz. »Ich könnte sie doch selbst hinbringen«, schlug er schüchtern vor. »Mein Stein wird mich beschützen.«
»Bowbaq, ich weiß, dass das schwer ist«, begann Corenn. »Aber wenn Sombre das Dorf überwacht, in dem sich deine Familie aufhält, wird er deine Ankunft aus den Gedanken der Menschen, denen du begegnest, herauslesen. Das ist fast so, als könnte er dich sehen. Es ist zu gefährlich.«
»Und wenn wir jemanden aus dem Rentierklan schicken?«, schlug Léti vor.
»Das geht genauso wenig. Sobald er die Steine abliefert, wäre der Überbringer für Sombre sozusagen sichtbar und bringt uns damit in Gefahr. Deshalb wäre Mir ideal. Auf Tiere achtet der Dämon vermutlich nicht besonders.«
Mit betrübter Miene betrachtete Bowbaq seinen Löwen, der sich in einer zugeschneiten Senke niedergelassen hatte.
»Das ist eine gute Idee, Freundin Corenn«, sagte er plötzlich. »Es klappt bestimmt.«
Er nahm einen der Steine und ritzte mit einem kleinen Messer ein Zeichen hinein. Dasselbe tat er mit den beiden anderen.
»Das ist das Symbol des Vogelklans«, erklärte er. »Ispen wird es verstehen. Sie ist sehr klug«, fügte er stolz hinzu.
Corenn sah zu, wie er dem Löwen in Gedanken Anweisungen übermittelte und ihm dann die Steine ins Maul legte. Mir erhob sich und entfernte sich mit einigen mächtigen Sätzen. Er machte sich auf den Weg zu den einzigen Erben von Ji, die bisher verschont geblieben waren.
Corenn betete, dass sie sich nicht geirrt hatte.
Yan bekam unter der Kapuze kaum Luft. Die Nacht war schon lange der alles beherrschenden Hitze des Tages gewichen, und er konnte an nichts anderes mehr denken als an das Ende seiner Qualen. Er hatte so viel geschwitzt, dass er befürchtete, ohnmächtig zu werden, wenn er nicht bald etwas zu trinken bekam. Doch seine Entführer waren taub für seine Bitte. Sie durften ihn erst freilassen, wenn sie ihr Ziel erreicht hatten.
Die beiden Gefangenen wurden durch einen unterirdischen Gang geführt und dann in große, auf einen Karren geschnallte Körbe gesetzt. Durch Zurufe vergewisserten sich Yan und Grigán mehrmals, dass man sie nicht voneinander trennte. Miff wurde zusammen mit Yan eingesperrt und verhielt sich glücklicherweise ruhig. Ihre Lage war zu nervenaufreibend, um auch noch das Kreischen des Mausäffchens zu ertragen.
Der Karren rumpelte durch die Straßen von Griteh und schien dabei viele Umwege zu nehmen, bis sie schließlich auf steinigem Boden weiterfuhren. Yan schloss daraus, dass sie die Stadt verlassen hatten. Nach einer langen, eintönigen Fahrt wurden die Körbe geöffnet, um den Gefangenen ein wenig frische Luft zu gönnen. Frei ließ man sie deshalb aber noch lange nicht.
Yan kam die Idee, in Miffs innerstes Wesen einzudringen, um durch ihre Augen zu sehen, doch er fühlte sich zu elend, um
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