Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
seinen magischen Willen zu entfesseln. Er hatte Corenns Rat schon zu oft in den Wind geschlagen: Gebrauche deinen Willen niemals im Zorn, unter Schmerzen oder wenn du betrunken bist. Diesmal war er lieber vernünftig.
Das Rumpeln des Karrens, die Gesprächsfetzen, die an sein Ohr drangen, und die unerträgliche Hitze schienen kein Ende zu nehmen. Plötzlich kam das Gefährt zum Stehen. Ihre Entführer wechselten einige Worte mit einem Mann, vermutlich einem Wachposten, bevor der Karren auf einem gepflasterten Weg weiterfuhr.
Der stärkere Widerhall der Geräusche und die kühlere Luft deuteten darauf hin, dass sie sich nicht mehr auf freiem Feld, sondern zwischen Gebäuden oder Felswänden befanden. Bald schien sich ihre Umgebung zu beleben: Von Ferne waren Rufe, Gespräche, Schritte und sogar der Klang einer Schnabelflöte zu vernehmen. Yan und Grigán waren im Lager der schwarzen Wölfe angekommen.
Als der Karren hielt, befahl man ihnen schroff, abzusteigen. Endlich wurden ihnen auch die Kapuzen abgenommen, während ein anderer Ramgrith ihre Fesseln überprüfte. Yan atmete erst einmal tief ein, bevor er sich umsah.
Sie standen inmitten von Ruinen, die dem verwitterten Mauerwerk nach sehr alt sein mussten. Die Dächer der meisten Gebäude waren eingestürzt und die unteren Geschosse zum Teil unter Sand begraben. Die Häuser waren ähnlich gebaut wie in Griteh, doch sie waren zu verfallen, um die Bauweise genauer vergleichen zu können. Aber sie hatten ohnehin anderes im Sinn.
Die Ruinen waren in ein Feldlager verwandelt worden. Hier und da waren Männer mit Ausbesserungs- und Befestigungsarbeiten beschäftigt, für die sie Material benutzten, das sie vor Ort fanden. Mehrere Mauern waren verstärkt und mit Stoff überspannt worden, um schattige Unterstände zu schaffen. Ein nahe gelegenes Gebäude diente als Stall, und neben einem Brunnen lag ein Sandhaufen, der davon zeugte, dass die Männer mühsam nach Wasser hatten graben müssen. Mehrere Schießscheiben und enthauptete Puppen machten deutlich, dass das Lager für kriegerische Zwecke genutzt wurde.
Das waren sie also, die schwarzen Wölfe. Yan schätzte, dass mindestens dreißig auf sie zukamen, aber dem Stimmengewirr nach zu urteilen, das von überall an seine Ohren drang, mussten noch zehnmal mehr Männer hier leben. Zudem schien die Ruinenstadt aus vielen Vierteln zu bestehen. Wenn jedes ebenso viele Menschen beherbergte, musste das Lager einige Tausend Krieger umfassen.
Die Männer wirkten so abweisend, stolz und hitzköpfig wie Grigán in seinen übellaunigsten Momenten. Yan war überrascht, auch einige Kinder unter ihnen zu sehen, ausschließlich Jungen. Die Selbstverständlichkeit, mit der manche bereits einen Dolch oder ein Krummschwert trugen, ließ ihn erschaudern. Die meisten anderen waren allerdings nur mit einem ihrer Körpergröße angepassten Bogen bewaffnet, und so sahen sich die beiden Gefangenen plötzlich von vielen kurzen Pfeilen bedroht.
»Die Stadt Gul«, sagte Grigán nachdenklich und betrachtete die Ruinen. »Es hieß, sie sei von Spinnen befallen.«
»Das war sie auch«, bestätigte einer der Bewacher mit hochmütiger Miene. »Die Mauern waren schwarz vor Spinnen. Man konnte sie auf eine Meile Entfernung herumkriechen hören. Wir haben zwei Jahre gebraucht, um alle Nester auszuräuchern, aber jetzt gehört die Stadt uns. Kein Yussa wird sich je hier blicken lassen.«
Der Krieger nickte wortlos. Er musterte jeden Neuankömmling und versuchte, unter den vielen feindselig blickenden Männern, die sie umzingelten, ein vertrautes Gesicht zu erkennen. Plötzlich kam ihm jemand zuvor.
»Grigán!«, rief ein Mann freudig aus und zwängte sich durch die Menge. »Grigán Derkel!«
»Berec!«, antwortete Grigán leicht erstaunt und strahlte ihn an.
Der Mann war um die fünfzig und hatte dunkles, mit grauen Strähnen durchsetztes Haar. Da ihm eine Hand fehlte, umarmte er Grigán mit seinem gesunden Arm. Als er feststellte, dass sein Freund gefesselt war, bekam er einen Wutanfall und beschimpfte ihre Bewacher so heftig, dass Yan froh war, nichts zu verstehen. Die Männer versuchten sich zu verteidigen, doch Berec ließ ihre schüchternen Argumente nicht gelten, und so kamen die Gefangenen endlich frei.
»Berec!«, sagte Grigán noch einmal und erwiderte die herzliche Begrüßung. »Bei Alioss, ich habe nicht zu hoffen gewagt, dich hier zu treffen.«
»Du hättest nicht kommen sollen«, gab der andere zurück. »Narro hat dir nicht
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