Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
und war mit einem Mal völlig blind. Seine Hände wurden nach hinten gezerrt und fest zusammengebunden. Unter Miffs gellendem Kreischen ließ er sich abführen und hoffte, dass sie ihre Expedition nicht bereuen würden.
Als die Nacht hereinbrach, war Bowbaq immer noch nicht zurückgekehrt. In Ingals Haus versuchten Lana, Léti und Corenn, einander Mut zu machen. Doch auch nach Sonnenaufgang blieb der Riese verschwunden, und mit jedem Dekant machten sich die Erbinnen größere Sorgen.
Der Anführer des Rentierklans wollte seine Boten so schnell wie möglich auf den Weg schicken. Kurz vor Mit-Tag brachen die Männer auf, um die anderen Klans zu einem außerordentlichen Konzil einzuberufen. Die weiter entfernt lebenden Anführer würden erst in sechs oder sieben Tagen eintreffen, und so musste Ingal seine Neugier noch etwas zügeln.
Gegen Ende des vierten Dekants sah Léti, die am Tor des Dorfes Ausschau hielt, einen überglücklichen Bowbaq auf sich zukommen. Obwohl er noch ein gutes Stück entfernt war, rannte sie ihm entgegen, fiel ihm erleichtert um den Hals und ließ sich im Kreis herumwirbeln. »Hast du ihn gefunden?«, fragte sie begierig, als er sie endlich wieder abgesetzt hatte.
»Ja!«, rief er jubelnd. »Ich habe ihn dort hinten im Wald gelassen. Und meiner Familie geht es gut!«
Létis Verwunderung verflog schnell, als ihr einfiel, dass Bowbaq wie alle Erjaks mit Tieren sprechen konnte. Der Löwe Mir hatte seit vier Monden über Ispen und die Kinder gewacht und diese Aufgabe offenbar bestens erfüllt. Das war die erste gute Nachricht, die sie seit Langem gehört hatten.
»Komm, wir holen Corenn und Lana«, sagte Bowbaq. »Ich möchte ihn euch vorstellen!«
Sie hatten ihre Gefährtinnen schnell gefunden und mussten sie nicht lange überreden mitzukommen. Corenn freute sich, dass es Bowbaqs Familie gut ging, und Lana sprach ein Dankesgebet an die Göttin. Voller Begeisterung machten sie sich auf den Weg.
Der Löwe war nicht mehr da. Bowbaq rief erst einmal, dann noch einmal lauter, aber Mir blieb verschwunden.
»Ich werde versuchen, seinen Geist zu erreichen«, erklärte er. »Darüber wollte ich ohnehin mit dir sprechen, Freundin Corenn. Ich glaube, dass meine Erjak-Kräfte viel stärker sind als vorher.«
Sie nickte langsam. Das war eine weitere Bestätigung dafür, dass das Jal die Gefährten beeinflusst hatte, obwohl sie nicht lange dort gewesen waren. Wie hatte sich das Gwel wohl auf ihre eigenen magischen Fähigkeiten ausgewirkt?
Und auf Yans?, dachte sie plötzlich. Seine Kräfte waren ohnehin außergewöhnlich gewesen. Was würde geschehen, wenn er seinen Willen entfesselte? Die Macht seiner Magie wäre womöglich so groß, dass er selbst davon überrascht würde und die Reglosigkeit entsprechend heftig ausfiele. Corenn bekam Angst um ihren Schüler, der von dieser Gefahr vielleicht noch nichts ahnte. Sie würde ihn völlig unvorbereitet treffen. Dennoch beschloss sie, ihre Sorge für sich zu behalten, und sah sich zusammen mit den anderen nach dem Löwen um.
Als er schließlich auftauchte, kamen sie sich vor wie in einem Traum: Obwohl sie zu viert Ausschau gehalten hatten, entdeckten sie ihn erst, als ein gewaltiges weißes Raubtier geschmeidig auf Bowbaqs Rücken sprang und den Riesen fast umriss. Wären sie nicht darauf gefasst gewesen, hätten die drei Frauen bei diesem Anblick einen riesigen Schreck bekommen. Doch auch so war Mir eine eindrucksvolle Erscheinung.
Bowbaq drehte sich lachend um, packte den Löwen mit beiden Armen und kugelte mit ihm im Schnee herum. Das Tier war fast ebenso groß wie sein Herr. Seine Mähne, die sich über den ganzen Leib zog, war prachtvoller als die der schönsten Hengste von Junin. Die Flecken, denen seine Art ihren Namen verdankte, waren mit Einbruch des Winters verblasst, sodass sein Fell nun makellos weiß schimmerte. Doch die drei Erbinnen sahen vor allem die riesigen Krallen an den nicht minder gewaltigen Pranken und das elfenbeinfarbene Maul, das blutrot aufblitzte, als Mir vor Freude brüllte.
»Das ist er!«, rief ihnen Bowbaq beim Herumtollen zu, als hätten seine Freundinnen noch daran zweifeln können. »Das ist mein Löwe!«
Léti, Corenn und Lana warteten geduldig, bis die beiden sich ausgetobt hatten, und lachten über ihre verspielte Rauferei. Irgendwann gab sich Bowbaq geschlagen, und Mir ließ ihn aufstehen.
»Das sind meine Jagdgefährten«, erklärte er dem Löwen und forderte die Erbinnen auf, ihn zu streicheln.
Diese Auskunft
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