Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
Moorkatze, groß und mächtig und geschmeidig. Sie mochte ihn lieber als alle anderen. Nicht so sehr seines Aussehens wegen, sondern wegen der Art, wie er war. Direkt und umkompliziert. Damit meinte sie nicht, er sei langsam von Begriff oder streitsüchtig. Beides traf nicht zu. Allerdings verkomplizierte Kermadec die Dinge nie, indem er sie lange analysierte und endlose Debatten führte. Wenn etwas erledigt werden musste, wendete er dafür so wenig Zeit und Mühe wie notwendig auf. Er lebte nach einem Verhaltenskodex, der ihm hervorragend diente, und gewiss war er davon niemals abgewichen. Sie wünschte nur, ihr Leben könne ebenso geradlinig verlaufen.
Drei
So verstrich die Zeit, und Grianne schaute zu, wie der Mond aufging und die Sterne den Himmel mit winzigen weißen Punkten überzogen. Die Felsen um sie herum verharrten in Stille. Die Feuerstelle mit ihrem Ring aus Steinen, die in der Dunkelheit an hockende Gnomen erinnerte, blieb kalt und einsam. Vielleicht würde ausgerechnet in dieser Nacht, in der sie hier war, nichts passieren. Möglicherweise hatte man sie bemerkt und würde sich fern halten. Sie fragte sich, ob sie sich überwinden könnte, eine weitere Nacht Wache zu halten, wenn sich in dieser nichts ereignete. Für einen derartigen Aufwand gab es keinen vernünftigen Grund; eigentlich war sie hier, weil sie aufgrund ihrer Instinkte eine Furcht beschlichen hatte, dass etwas geschehen könnte, und nicht, weil schon tatsächlich etwas passiert war.
Dann, als es auf Mitternacht zuging, flammte urplötzlich ein Feuer auf. Es brannte ohne Vorwarnung und sichtbaren Grund. Niemand war erschienen, um es anzuzünden; niemand hatte Holz aufgeschichtet oder Funken geschlagen. Die Flammen loderten einfach grell und hoch auf, und Grianne war sofort auf den Beinen. »Kermadec!«
Der Felstroll erwachte, sprang auf, stellte sich zu ihr und betrachtete wortlos die Erscheinung. Die Intensität der Flammen nahm zu und ab, als würden sie atmen, als würde sich die Luft auf unbestimmbare Weise verändern und dem unsichtbaren Brennmaterial erst Kraft verleihen, um sie anschließend wieder zu entziehen. Überall in der Umgebung wurden die vom Licht angestrahlten Felsen zu geisterhaften Zuschauern. Grianne schob sich vorsichtig nach vorn, jeweils immer nur ein oder zwei Schritte, wobei sie ständig die Schatten absuchte. Irgendwo musste etwas sein; irgendetwas musste für das Feuer verantwortlich sein. Aber sie konnte nichts entdecken, keine Spur von Lebewesen außer ihr und Kermadec. Jemand musste die Flammen von einem anderen Ort aus entzündet haben, jemand oder etwas, dessen Anwesenheit nicht unbedingt erforderlich war, um die beabsichtigte Magie zu wirken.
»Herrin!«, zischte Kermadec.
Über dem Feuer leuchteten Blitze auf, grelle Lichterscheinungen, die auf kleine Explosionen hindeuteten. Doch verursachten sie keinen Knall und hinterließen keine Rückstände wie Rauch oder Asche in der Luft, sondern waren einfach da, gigantischen Glühwürmchen gleich. Sie bewegten sich kreisförmig, und je mehr es wurden, desto höher stiegen sie und breiteten sich aus. Das Feuer unten brannte unverändert weiter.
Grianne schickte ihre Magie aus, um dieses Phänomen von brennender Luft und flammenlosem Licht zu erkunden, und benutzte das Wunschlied, um zu untersuchen, was sich dort aufhielt und was sie nicht sah. Sofort entdeckte sie die andere Magie, die konzentriert und mächtig aus der Ferne hergeschickt wurde, genau so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Außerdem fand sie heraus, dass hier etwas antwortete, etwas, das in diesem verheerten Land Macht besaß, während ihm diese an jedem weniger verseuchten Ort versagt geblieben wäre. Diesem Etwas konnte sie keinen Namen geben, nichtsdestoweniger war es vorhanden und drängte zum Feuer und zum Licht.
Ein Gesicht im Fenster, dachte sie plötzlich.
Vielleicht stammte es gar nicht aus dieser Welt, sondern von einer anderen Ebene der Existenz. Daher forschte sie intensiver mit ihrer Magie und versuchte zu dem durchzubrechen, das sich dort draußen befand, und eine Reaktion hervorzurufen, die ihr mehr verraten würde. Ihre Bemühungen wurden beinahe umgehend belohnt. Etwas Kleines und Dunkles erschien am Rande des Lichtes wie ein Gespenst aus der Unterwelt, nicht vollkommen gestaltlos, dennoch ohne klare Form. Es schwebte in das Licht hinein und wieder heraus wie ein Kind beim Versteckspiel, war erst hier, dann dort, wobei es sich niemals ganz enthüllte und niemals
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