Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
Natürlich war er das Ziel gewesen, nicht dieser Hafenarbeiter. Der hatte ihn nur im falschen Moment zur Seite gestoßen und lag deshalb nun tot auf der Straße.
Pen blickte über die Schulter zurück und entdeckte die schattenhafte Gestalt des Verfolgers, der wie eine Spinne über die Dächer der Lagerhäuser huschte. Arme und Beine ragten angewinkelt aus dem niedrigen Körper.
Dieses Wesen war zu schnell, um ihm davonrennen zu können.
»Khyber!«, schrie er, als ihn plötzlich die Angst packte.
Das Mädchen fuhr herum, sah die Gestalt und streckte beide Arme aus, um eine Schutzmagie zu beschwören. Khyber erwischte das Untier mitten im Sprung und schleuderte es außer Sicht.
»Was war das?«, rief sie ihm zu.
Er antwortete nicht. Denn er hatte keine Ahnung. Er wusste nur, dass er es nicht gerne wieder sehen würde. Vielleicht traf das ja zu. Vielleicht hatte der Sturz es getötet. Oder zumindest so stark verletzt, dass es nicht mehr mithalten konnte.
Sie liefen weiter. Pen warf besorgt einen Blick zurück, und daran tat er recht. Ihr Verfolger war wieder auf den Dächern unterwegs, sprang von einem Gebäude zum nächsten und holte rasch auf.
»Khyber!« Er packte sie am Arm und zeigte nach oben.
Sie drehte sich zum zweiten Mal um, sah die Gestalt, hob erneut die Arme, doch sofort war das Wesen verschwunden. Die beiden hielten Ausschau nach ihm, aber es war, als hätten Nacht und Regen es verschluckt. Natürlich war das unmöglich. Irgendwo musste es sein. Nur vermutlich jetzt am Boden, verborgen im Schatten. Er spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten, und wich in Richtung Wasser zurück, fort von den Gebäuden. »Lauf!«, zischte Khyber ihm zu.
Er sprintete los, Tagwen neben sich, und polterte über die hölzernen Anleger, eingehüllt in Regen und Nebel. Pen suchte die Fronten der Lagerhäuser nach dem Verfolger ab, während sie rannten. Niemand war zu sehen. Dennoch jagte das Wesen ihnen weiter nach. Pen fühlte es. Wenn es nahe genug herankäme, würde es sicherlich noch einen dieser Dolche werfen, aus der Dunkelheit heraus, und Pen wäre tot, ehe er etwas bemerkte. Seine Lungen brannten, und seine Beine schmerzten vom Rennen, dennoch wurde er nicht langsamer. Nie zuvor in seinem Leben hatte er solche Angst empfunden. Es war eine Sache, sich einem Gegner Auge in Auge zu stellen. Doch hatte das nichts gemeinsam damit, dass sich jemand, den man nicht sehen konnte, aus dem Hinterhalt heranpirschte. Sie erreichten den
Rochen
und kletterten eilig an Bord. Erst als sie sich hinter der Pilotenkanzel duckten, verließ Pen das Gefühl, ein Messer wäre gerade unterwegs und würde sich ihm im nächsten Moment aus der Dunkelheit in den schutzlosen Rücken bohren. Er suchte die Hafenfront ab, entdeckte jedoch keine Spur des geheimnisvollen Jägers. Allerdings hatte er Angst, und er würde nicht lange hier verweilen, wo sein Rücken ohne Deckung dem offenen Wasser ausgesetzt war.
»Was war das?«, fragte Khyber ihn zum zweiten Mal und keuchte vor Anstrengung.
Pen suchte die Dunkelheit ab. »Keine Ahnung. Ich habe nicht einmal bemerkt, wo es herkam. Hast du gesehen, was es getan hat?«
»Es hat diesen Mann umgebracht«, flüsterte sie.
»Aber es wollte dich erwischen, nicht?« Tagwen schob das raue Gesicht vor und starrte ihm in die Augen. »Ich glaube schon«, antwortete er und sah dem Nebel zu, der sich wie eine Schlange durch den Hafen und in die Seitenstraßen wand. Überall, wo er hinschaute, bewegten sich die Schatten. »Bestimmt ist es immer noch dort draußen.«
Ähren Elessedil, der ebenfalls an Bord gekommen war, unterhielt sich aufgeregt mit Gar Hatch. Seine Kleidung war vom Regen durchnässt, sein Gesicht gerötet. Er blickte zu den dreien hinüber, die sich hinter der Pilotenkanzel versteckt hielten, und in seinen blauen Augen blitzte Unsicherheit auf, ehe er sich zu dem Fahrenden umdrehte und ihm befahl, die Leinen zu werfen. Aber Hatch weigerte sich, verschränkte die Arme vor der Brust und baute sich breitbeinig vor ihm auf. Sie seien noch nicht bereit, sagte er. Die Reparaturen seien noch nicht abgeschlossen.
»Sie haben Euch gefunden, was?«, höhnte er. »Die Druiden? Ihr denkt, ich hätte keine Ahnung, wer Ihr seid? Ich will mit dieser Sache nichts zu tun haben. Ihr könnt mir gar nicht genug zahlen, damit ich Euch weiter befördere. Runter von meinem Schiff!«
Die anderen beiden Fahrenden kamen näher und machten sich bereit, ihrem Kapitän beizustehen. Irgendwo im Hafen wurden
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