Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
lief, was notwendig war. Nachdem sie mehrere Stunden beobachtet hatte, wie er hin und her huschte, hielt sie es für ein besonderes Merkmal der Ulk Bogs. Sie wusste sehr wenig über diese Spezies, die in den Teilen der Druidenhistorien, die sie gelesen hatte, nur am Rande erwähnt wurden. Nichtsdestoweniger genügte ihr in diesem Fall die Beobachtung. Das Land, durch das sie sich bewegten, war ihr gleichermaßen vertraut wie fremd. Die geologischen Merkmale ähnelten ihrer eigenen Welt sehr, waren jedoch nicht dieselben. Oft gab es nur winzige Unterschiede, die man weniger exakt festmachen konnte, sondern eher spürte. Es überraschte sie jedenfalls nicht, dass die Verfemung, die eine andere Geschichte erlebt hatte, nicht alles genau spiegelte. In ihrer Welt hatte die Topografie durch die Verheerungen der Großen Kriege Änderungen erlebt. Natürlich ließen sich die wichtigsten Merkmale erkennen - die Berge, Pässe, Felswände, Flüsse und Seen, doch einiges war anders. In dieser Landschaft hatte sie das Gefühl, einen vertrauten Ort zu besuchen, an dem sie plötzlich alles in neuem Lichte sah.
Weiteren Drachen begegneten sie nicht. Sie sahen riesige Vögel über ihren Köpfen, bei denen es sich weder um Rocks noch um Würger handelte, und Weka Dart erklärte ihr, es seien Harpyien. Grianne konnte die Frauengesichter nicht erkennen, doch stellte sie sich diese vor - schmal und ernst, scharf und verschlagen. Harpyien gehörten in ihrer Welt zur Mythologie und galten als Erfindung antiker Märchenerzähler. Dabei zählten sie zu den Wesen, die seinerzeit in die Verfemung verbannt wurden, und deshalb waren von ihnen nur die Geschichten geblieben. Hier eine zu sehen, ganz wirklich und gefährlich nahe, erinnerte sie an die anderen bedrohlichen Wesen, die sich ebenfalls hier befinden mussten und sie jagen würden, entweder zum Fressen oder einfach so. Diese Aussicht fand sie nicht sehr reizvoll.
Das hatte immerhin die Wirkung, sie abzulenken. Seit sie erwacht war und begriffen hatte, was ihr zugestoßen war, hatte sie nur wenig über die Probleme nachgedacht, die sie hinter sich zurückgelassen hatte; im Augenblick konnte sie sowieso nichts machen. In gewisser Weise fühlte sie sich befreit. Der Druidenrat mit seinen streitsüchtigen Angehörigen und ständigen Komplotten befand sich in einer anderen Welt und würde ohne sie weitermachen müssen, so gut es eben ging. Das hatte sie seit zwanzig Jahren nicht mehr sagen können, und nun war eine angenehme Erleichterung mit diesen Worten verbunden.
Das Wetter in der Verfemung änderte sich nicht, Erde und Himmel blieben grau und farblos, es gab keine Abwechslung durch Sonnenschein oder eine Wolkendecke, aus der Blitz und Donner kam. Das Tagesende kündigte sich durch eine Verdunklung des Graus an, in dem sie den ganzen Tag gewandert waren. Die Vegetation wirkte vertrocknet und verdorrt, als sei die Erde verpestet, auf der sie wuchs. Nichts in dieser Welt hieß Leben willkommen. Alles war auf Tod ausgerichtet.
Schließlich erreichten sie den südlichen Anfang eines Passes, der aus dem Gebirge führte, und schauten über die Ausläufer hinunter auf die Ebene, die Weka Dart Pashanon nannte, welche in ihrer Welt dagegen Callahorn hieß. Verdorrtes, verkümmertes Gras wuchs in Büscheln auf meilenweiter harter Erde und kahlen Hügeln, die sich von hohen, windumtosten Plateaus in alle Richtungen erstreckten.
»Wir brauchen einen sicheren Schlafplatz«, verkündete der Ulk Bog in seinem gleichmütigen Tonfall und sah sich um. »Ah, dort.«
Er zeigte auf eine riesige Kastanie am Rande eines Wäldchens.
»Wir müssen auf einem Baum schlafen?«, fragte sie ihn skeptisch.
Er grinste sie verschlagen an. »Du kannst gern auch auf dem Boden schlafen, Straken, und ausprobieren, was für Freunde du während der Nacht findest.«
Wieder nannte er sie Straken, obwohl sie ihn gewarnt hatte, und darüber war sie nicht sehr glücklich, allerdings konnte sie wohl daran nichts ändern. Er sprach sie als das an, wofür er sie betrachtete, und Worte würden daran nichts ändern.
»Ist es oben in den Bäumen sicherer?«, erkundigte sie sich.
»Ziemlich sicher. Man wird nicht so gut gesehen, und die übelsten Nachtjäger klettern nicht. Außer den Rankschlangen.« Er grinste, und seine Zähne funkelten wie Dolche. »Aber so weit in der Höhe treiben sich nicht so viele von ihnen herum.« Er lief zwischen die Bäume. »Warte hier.«
Einige Zeit lang war er verschwunden, und bei seiner
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