Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane
der bewaldeten Felszinne bis zur Schlucht einhüllte. Er benutzte seine kleine Magie, seine eigenartige Gabe, um nach dem zu suchen, was drüben warten mochte. Wispern erreichte ihn, leises Rascheln und Zischen. Das stammte aus unerklärlichen Quellen, aus der undurchdringlichen Dunkelheit, aus der Leere. Er hörte es, doch konnte er sich keinen Reim darauf machen. Rasch ging er sie eins nach dem anderen durch, ob er etwas erkennen würde.
Nichts.
Er blickte über den Rand der Brücke in die Schlucht, in die Dunkelheit und kniff die Augen zusammen. Bewegte sich dort unten etwas?
Die Vorsicht gewann wieder die Oberhand, und er verlangsamte den Schritt.
- Schreite voran Ein Chor aus Stimmen sprach, alle klangen gleich, alle flüsterten im perfekten Gleichklang. Sie hallten in seinem Kopf wider, klar wie das Läuten einer Glocke. Er zuckte zusammen und blickte rasch Cinnaminson an.
»Die Geister der Luft«, sagte sie leise. »Kannst du sie auch hören?« Überrascht, weil er sie vernahm, nickte er und fragte sich, warum sie nun auch zu ihm sprachen.
- Schreite voran Feenhafte Stimmen, sanft und weiblich. Sie sagten ihm, er solle vorangehen und tun, wozu sie ihn hergeholt hatten. »Wer seid ihr?«, flüsterte er.
- Aeriaden. Geister der Luft -
»Was ist los?«, rief Khyber ihnen zu, eine körperlose Stimme irgendwo von hinten. »Ist alles in Ordnung mit euch?« Er winkte ihr zu, ohne sich umzublicken.
- Schreite voran Das Flüstern drängte ihn zu gehorchen, und das tat er, obwohl er nicht wusste, wieso. Ebenso wenig verstand er seine Bereitwilligkeit, dem Befehl zu gehorchen, doch war er sicher, es tun zu müssen. Er ging langsam und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, stieg zum höchsten Punkt des Steinbogens hoch und sah zu, wie die Insel immer näher kam.
»Woher stammt ihr?«, flüsterte er und erwartete eigentlich gar keine Antwort auf seine Frage.
- Von unserem Vater und unserer Mutter. Aus Sämlingen, die weit gestreut wurden. Aus Wind und Regen und Zeit -
Überrascht dachte Pen über die Worte nach. Er hatte keine Ahnung, was sie bedeuteten, doch das Wort
Sämling
erregte seine Aufmerksamkeit.
»Seid ihr Kinder des Tanequils? Ist der Baum euer Vater?«
- Unser Vater und unsere Mutter. Eins lebt im Licht; eins wohnt im Dunkeln. Eins hat Äste, eins hat Wurzeln. Sie warten auf dich - Pen schüttelte den Kopf. In der Mitte der Brücke, auf dem höchsten Punkt des Steinbogens, schwebend über der dunklen Leere der Schlucht, bemerkte er plötzlich, dass sich in den Tiefen etwas bewegte, dort, wo er es nicht sehen konnte. Seine Sinne warnten ihn, aber er konnte die Warnung nicht auf etwas Konkretes beziehen. Er wusste es einfach. Als Reaktion erstarrte er, und er fühlte, wie Cinnaminson es ihm gleichtat. Sie spürte es auch. Es war nicht das Rascheln des Grases oder das Wispern der Blätter. Dies war etwas Größeres - als würde ein riesiges Tier durch ein Gebüsch streifen, oder als würden Baumstämme an einer Kette über die Erde gezogen. Allerdings ließ sich das Geräusch nicht lokalisieren. Dieses Wesen war überall in der Schlucht, in Spalten und Löchern, und schob sich und grub sich durch Erde und lockere Steine.
Im grellen Licht der untergehenden Sonne blitzte eine Vision vor seinen Augen auf. Aus dem Strahlen heraus nahm eine ungeheure Erscheinung Gestalt an, vage und unförmig, ein Ding mit Tentakeln und Fühlern, das über unglaubliche Kraft und Brutalität verfügte. In seinem Griff sah er die Körper von Menschen und Tieren. Er sah, wie sie gebrochen wurden und bluteten. Er beobachtete ihren Kampf und hörte ihre Schreie. Er wandte sich von der Vision ab, schloss die Augen, um den Anblick und die Geräusche loszuwerden.
- Schreite voran Die Seile um ihre Hüften fielen ab, als wären sie von einem Messer durchgeschnitten worden. Rufe von hinten wurden laut, verstummten jedoch bald.
- Schreite voran Die Stimmen der Aeriaden riefen beharrlich nach ihm. Er hielt Cinnaminson fest und ging rasch weiter, wobei er nicht länger in die Schlucht schaute. Die Schatten waren mit der Dämmerung dichter geworden, und es schien, als würden sie raubgierig aus der Schlucht klettern, aus der Dunkelheit hinauf ins Licht. Pen ging noch schneller und versuchte ihre Präsenz und die Wahrnehmung des Dings dort unten zu ignorieren, und auch die Möglichkeit, dass es ihn zu finden versuchte.
Dann war er drüben, sicher auf der anderen Seite der Brücke, und stand auf dem festen Fels der Zinne
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