Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
Diskussion davonkommen ließe, nach der ihr der Kopf schmerzen würde. Indem sie beide Gegenstände ließ, wo sie waren, konnte sie wenigstens sicherstellen, dass sie nicht gegen sie eingesetzt werden würden.
Zum Ende des zweiten Tages hin kannte sie dann jeden Zoll der Takelage und hatte den Frachtraum vom Bug bis zum Heck erkundet. Bardo war ihr wie ein Schatten gefolgt und hatte sich Notizen gemacht, während sie die Kisten in Augenschein genommen hatte, die immer noch unten verstaut waren. Ihre Suche hatte kein glitzerndes Schatzversteck zutage gefördert, aber was sie gefunden hatte, war weitaus nützlicher.
Säcke voll mit Wurzelgemüse und zwei geräucherte Rinderhälften hingen von den Querbalken. Kästen mit frischen Orangen und Melonen warteten wie das Gold für einen König neben Flaschen mit dunklem Rotwein, der dickflüssig und einladend wirkte. Trockenfrüchte in allen Regenbogenfarben und Fässchen mit schwarzem Rum ließen Falkin das Wasser im Munde zusammenlaufen, wenn sie an die Süße dachte, die sie verhießen. Kisten mit sorgfältig verpacktem hartem Schiffszwieback verströmten einen durchdringenden Geruch nach Gewürzen, der von den Leinensäcken mit Dörr- und Räucherfleisch ausging, die darunter gestapelt waren. Drohendes Verhungern war nämlich immer ein graues Gespenst, das über den Segeln eines Schiffes lag und nur darauf wartete, die ersten Opfer zu fordern. Andere Gefahren dräuten allerdings noch beunruhigend näher, aber wenigstens würde Falkins Mannschaft wohlgenährt sterben.
Sie stellte einen Trupp Männer dazu ab, die Besitztümer der früheren Mannschaft auszuräumen. Der Frachtraum war mit dem Zubehör überfüllt, das auf einem Schiff immer zu allem Möglichen diente. Hängematten baumelten von Haken; gefaltete Decken lagen darin, und Seekisten jeglicher Größe waren sorgfältig darunter gestapelt. Jede befand sich voller Werkzeuge, Kleider zum Wechseln und kleiner persönlicher Schätze. Wer auch immer die Thanos besessen hatte, bevor McAvery sich damit davongemacht hatte, er hatte eindeutig nicht damit gerechnet, sie zu verlieren. Alles, was noch in benutzbarem Zustand war, wurde mittschiffs auf dem Hauptdeck aufgehäuft und jedem Mann angeboten, der es vielleicht brauchen konnte.
Wie er es versprochen hatte, hatte sich Shadd schon vor Tagen aus seiner erzwungenen Ruhepause davongeschleppt und darauf beharrt, dass er frische Luft und Sonnenschein nötiger bräuchte als Schlaf. Er bewegte sich langsam und vorsichtig; manchmal hielt er sich die Bauchwunde mit einer Hand, wie um seine Eingeweide davon abzuhalten herauszuquellen. Aber die Farbe kehrte rasch in seine Wangen zurück, und man hörte sein herzhaftes Gebrüll über Deck schallen. Er klang gesund und glücklich. Falkin wusste, dass er erst dann wieder wirklich zufrieden sein würde, wenn er sich auf den Geschützdecks befand. Aber wenn er sich gut genug fühlte umherzuhumpeln, dann konnte das nur ein gutes Zeichen sein.
Sie war sich McAverys immer bewusst, so, wie ein gejagtes Tier das Raubtier, das es nicht sehen kann, wahrnimmt. Nicht dass er nicht so gut wie immer in ihrem Blickfeld war, wann immer sie sich auch umdrehte. Sie hatte mittlerweile befohlen, ihn an die Reling am Fuße der Achterdecksleiter zu ketten. Die Kette war lang genug, um es ihm zu gestatten, unter die Leiter zu kriechen, wenn das Wetter rau wurde, und die Reling zu erreichen, wenn er sich erleichtern musste, aber nicht so lang, dass er irgendjemandem hätte im Wege stehen können. Praktischer war es schon gewesen, als er noch im Frachtraum eingesperrt gewesen war. Und sicherlich auch ruhiger. Aber jetzt, da sie wusste, wer er war, wusste sie auch, dass ihm eine größere Gefahr von der Mannschaft drohte. Gar nicht zu reden von der gestiegenen Wahrscheinlichkeit, dass er eine Meuterei gegen sie planen konnte, wenn sie ihn nicht im Auge behielt. Insgesamt gab es drei Männer an Bord, denen sie voll und ganz vertraute, und keiner von ihnen konnte entbehrt werden, um den Schuft zu bewachen. Bis sie ans Ziel ihrer Reise gelangten, wollte sie ihn im Griff behalten.
Er hatte seine Einkerkerung gutgelaunt hingenommen und begann jeden Morgen mit einem Lächeln. Er saß an Deck, genoss den Sonnenschein oder spähte mit einem abgenutzten Fernrohr, das er wer weiß wo aufgetrieben hatte, über das glänzende, blaue Wasser. Keiner ihrer Männer sprach mehr als nötig mit ihm; sie wichen ihm aus, wenn sie nur konnten. Es schien ihn aber gar nicht zu
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