Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
Problem mit Männern? Sie hatte sich monatelang an ihrer Seite bewiesen, unter Deck geschlafen wie sie, geflucht, gekämpft und getrunken wie nur irgendeiner von ihnen. Aber was passierte, sobald man sie in einen Rock steckte? Sie begannen mit dem unwichtigsten ihrer Körperteile zu denken. »Hört zu, Männer«, blaffte sie. »Ich habe keine Zeit für eure romantischen Verirrungen. Binns ist außer Gefecht gesetzt, und das bedeutet, dass ich nun das Kommando führe.« Sie sah finster in die Runde und bemühte sich, so vielen von ihnen wie möglich in die Augen zu sehen. »Jeder Kerl, der es mit mir versuchen will, kann es ja mal probieren – aber er sollte besser nicht zu sehr an seinen Gedärmen hängen, denn die werden auf dem Deck zurückbleiben.«
Das Lächeln verschwand aus den Gesichtern. Mehrere Männer senkten den Kopf und murmelten Entschuldigungen, die Falkin kaum verstehen konnte. Ich werde die nächsten paar Tage über aufpassen müssen , dachte sie. Der ein oder andere von ihnen ist vielleicht nicht so bußfertig, wie er jetzt zu sein vorgibt. »Wer kann mir sagen, was mit der Vogelfrei passiert ist?«, erkundigte sie sich, um das Thema zu wechseln.
Bardo trat vor. Er hatte schon unter Binns gedient, lange bevor Falkin an Bord gekommen war, und diente als Koch und Wundarzt. Gerüchten zufolge war er einst ein mächtiger Kämpfer gewesen, bis er eines Tages versucht hatte, einen Degen mit dem Arm aufzuhalten. Er hatte zwar die Hand behalten, aber sie war jetzt verkrüppelt und konnte keine Waffe mehr halten. Er war ein kleiner, vierschrötiger Mann. Sein Haar war schmutzig braun und mit Weiß durchzogen, sein Gesicht so scharfzügig und spitz und sein Verhalten so nervös, dass er Falkin an eine Bilgenratte erinnerte. »Ich komm ein bisschen früh hier heraus. Ich denk mir, dass ich rausrudern und die Burschen ablösen kann, die gestern auf Wache waren. Nur dass das Schiff nich’ mehr da ist. Und keiner von uns hat auch nur ein Haar von denen gesehen, die da an Bord waren.« Nervös zog er den Kopf ein. »Du glaubst doch nicht etwa, dass sie von Geistern geholt worden sind, oder?«
»Nein!«, bellte Falkin, bevor sie sich fing und die Stimme wieder senkte. »Es gibt keinen Geist. Ganz gleich, was wir gesehen haben, euer Geisterschiff liegt dahinten vor Anker, so wirklich wie ihr. Und das ist auch der Kapitän. Ich habe ihn gestern selbst auf der Marktstraße in der Mittagssonne gesehen. Hört sofort mit diesem Geisterunsinn auf!«
Mehrere der Männer grinsten einander an, nickten und flüsterten miteinander. Falkin schnippte mit den Fingern, um ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen. »Hat irgendwer mit dem Hafenmeister gesprochen?«
»Noch keine Gelegenheit gehabt«, sagte Bardo und sah sogar noch ängstlicher drein als zuvor. »Als ich gesehen hab, dass die Vogelfrei nicht da war, wollte ich nachfragen, aber als ich an die Amtsstube des Hafenmeisters so ganz nahe herankam, na, was seh ich da? Wenn das mal nicht ein Haufen Blaukittel rings herum ist … Also bin ich weitergegangen. « Er hörte damit auf, die Hände zu ringen, schob sie sich unter die Achseln, und begann, auf den Fußballen vor- und zurückzuwippen. »Kin, ich bin vom einen Ende des Hafens bis zum anderen gelaufen. Ich dachte ja fast schon, der Käpt’n wäre ohne mich weggesegelt, bis Jaques dann auftauchte und jammerte, dass Binns von den Soldaten mitgenommen worden war und dass wir mit dem Nachmittagshochwasser auslaufen würden, egal ob alle an Bord wär’n oder nicht.« Er zuckte die Schultern. »Ich wusste, dass du uns alle brauchst, also bin ich hiergeblieben und hab die anderen davon abgehalten wegzulaufen.«
Falkin starrte den kleinen Mann an. Sie hatte ihn immer für etwas geistesschwach gehalten, weil er auf diese seltsame Weise grinste und nickte und kaum jemals sprach. Offensichtlich hatte Binns aber etwas in ihm erkannt, das ihr entgangen war. Es war eine Fähigkeit, die sie erst entwickeln musste, nämlich dieses Talent, etwas Wertvolles in einer schlichten Verpackung zu erkennen. Wenn Bardo nicht gewesen wäre, hätten die Männer, die ihrem Ruf gefolgt waren, durchaus sehen können, dass die Vogelfrei fort war, und hätten daraus schließen können, dass sie zurückgelassen worden waren. Sie wäre schon abgesoffen, bevor sie überhaupt ausgelaufen war. Also legte sie Bardo die Hand auf die magere Schulter. »Ich schulde dir etwas. Sei versichert, ich werde dem Kapitän davon berichten, sobald wir ihn
Weitere Kostenlose Bücher