Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Die Magierin des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Misty Massey
Vom Netzwerk:
so dass alle gezwungen waren, laut zu sprechen, um einander zu verstehen.
    Sie hatten sich der kleinen Schaluppe genähert und blieben auf gleichem Kurs mit ihr, gerade nahe genug, um McAvery davon abzuhalten, aufs offene Meer zurückzukreuzen. Die Thanos war groß genug, aus dieser Entfernung gegen die Strömungen zu bestehen, aber die Vogelfrei war sehr viel leichter. McAvery würde recht geschickt segeln müssen, um sein Steuerruder unter Kontrolle zu halten und nicht in die Zähne zu geraten. Falkin hatte ihm die Bauernjungengeschichte, die er ihr auf Eldraga erzählt hatte, nicht abgenommen, aber sie glaubte dennoch nicht, dass er ein besonders guter Seemann war. Er ging ja noch nicht einmal wie einer.
    Jetzt, da die Sonne aufgegangen war, beobachtete Falkin, wie der Mann rasch von einem Ende der Vogelfrei zum anderen eilte. Keine der Stückpforten war geöffnet – hatte er denn überhaupt keine Kanoniere? Er fuhr mit einer so kleinen Mannschaft, dass sie kaum ausgereicht hätte, ein Ruderboot zu bemannen. Die wenigen Männer, über die er zu verfügen schien, waren wohl allesamt Matrosen und leisteten die doppelte Arbeit, um die Schaluppe auch nur über Wasser zu halten. Plötzlich kniff Falkin die Augen zusammen, als sie eine vertraute Gestalt erspähte. War das Dreso? Er war in der Nacht, bevor Binns in Gewahrsam genommen worden war, auf der Vogelfrei gewesen. Sie hatte ihn auf Wache zurückgelassen, mitsamt seiner unendlichen Geisterfurcht und den kleinen Amuletten, die er herstellte, um die Gespenster abzuwehren. Nachdem McAvery ihre Schaluppe gestohlen hatte, hatte sie angenommen, Dreso sei tot, aber er war da und machte sich verbissen mit dem Tauwerk zu schaffen.
    Vielleicht war Dreso ja die ganze Zeit über mit McAvery verbündet gewesen und hatte nur auf die rechte Gelegenheit gewartet. Es hätte so viel erklärt, wenn McAvery einen Spießgesellen in ihrer Mitte gehabt hätte. Er war wie ein Geist aus dem Sturm aufgetaucht und Dreso hatte seine Schutzamulette gebastelt und eine abergläubische Furcht und Besorgnis geschürt. Falkin ließ das Fernrohr sinken. Sie würde bald genug wissen, ob ihr ehemaliger Mannschaftskamerad ein Verräter oder ein hilfloser Gefangener war.
    »Näher heran!«, befahl sie. Tom tat wie geheißen und drehte das Steuerrad gerade weit genug, um ihren Kurs zu straffen. McAvery musste begriffen haben, wer ihn jagte, aber er sah nie in ihre Richtung, als würde sie dadurch, dass er nicht hinsah, vielleicht ebenso verschwinden, wie er es vorher einmal getan hatte. Die Mitglieder ihrer eigenen Mannschaft, die nicht aktiv mithalfen, die Thanos zu segeln, hingen in der Takelage; manche heulten und riefen höhnische Bemerkungen, andere bliesen misstönende Klagelaute auf Messinghörnern, ausgehöhlten Muschelschalen und allem anderen, was sie finden konnten, um ihre Stimmen zu verstärken. Der Missklang ließ Falkin mit den Zähnen klappern.
    Plötzlich erschien Searlas; er schoss die Achterdecksleiter empor. »Die Mädels unter Deck sind alle geladen und fertig, und auch alle Mann steh’n bereit, um auf deinen Befehl hin zu springen, Kapitän«, sagte er in seinem singenden Tonfall. »Hab zwar nicht genug Männer, um alle auf einmal abzufeuern, aber es sollte kein Problem sein. Wir werden uns ins Zeug legen, wenn wir müssen.«
    Der Rote Tom umklammerte das Steuerrad gegen die Strömungen, die selbst aus dieser Entfernung an dem großen Schiff zogen. »Also, Käpt’n, wie lautet der Plan?«
    »Wir werden vorbeiziehen und ein paar Meter vor seinen Bug schießen. Ihn erst mal erschrecken. Ihn zwingen, einen Fehler zu begehen. Wenn ich ihn gegen ein oder zwei der Zähne treiben kann, wird er wahrscheinlich ohne viel Gegenwehr kapitulieren.« Sie lächelte angespannt. »Ich will die Vogelfrei nicht rammen. Ich will nur, dass McAvery die Nerven verliert. Kannst du dafür sorgen, Searlas?« Er nickte ein einziges Mal. »Dann ab mit dir unter Deck – und halt die Augen nach meinem Signal auf.«
    »Weißt du, McAverys Nerven sind ein Ziel, das schwerer zu treffen sein wird als die Flanke der Schaluppe«, sagte Tom. »Sicher, dass es das Risiko wert ist?«
    Falkin öffnete den Mund, um ihren Plan zu verteidigen, hielt dann aber inne. Sie nannten sie inzwischen Kapitän . Wenn Binns an diesem Ort stand und ein Kampf drohte, dann waren seine Befehle in Stein gemeißelt. Sie hoffte, dass auf demselben Stein Platz war, auch ihre Worte zu schreiben.
    »Ich bin mir sicher«, sagte sie am Ende.

Weitere Kostenlose Bücher