Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
Piratenkapitäne hätten mich getötet und die Kiste geöffnet.«
»Ich will Euer Lob nicht.« Sie spuckte aufs Deck vor seine Füße. »Was ich will, ist Euer Kopf, aber ich werde mich damit begnügen, Euch in Ketten zu legen. Jarvis!« Der Pirat rannte los, um ihre Anweisung auszuführen. Binnen Sekunden war McAvery sicher gefesselt.
»Verstaut die Kisten unten, Jungs.« Sie schenkte ihrem Gefangenen ein eisiges Lächeln. »Und bitte sorgt dafür, dass es Herrn McAvery an nichts fehlt. Schließlich ist er dafür verantwortlich, dass wir hier sind.«
Ihre Männer kicherten. »Aye aye, Kapitän«, sagte Jarvis. »Ich glaube, wir haben noch eine freie Kabine, mit ein paar festen Gitterstäben, damit er’s auch hübsch sicher hat.«
McAvery beugte sich vor und senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Jetzt sehe ich, dass er Euch nicht alles erzählt hat. Das hat er doch nicht?«
»Wer?« Der Kloß, den sie plötzlich im Hals spürte, schmerzte.
»Binns. Hat Euch etwas verschwiegen. Wahrscheinlich in dem Glauben, Euch zu schützen. Weichherziger Bursche. Seltsam, dass er für die Aufgabe ausgewählt worden ist.«
»Er ist ein guter Kapitän. Hat sich viel mehr Loyalität verdient, als Ihr sie von Euren Männern erhaltet«, sagte sie.
Er zuckte die Schultern. »Stimmt schon. Das wäre mir wahrscheinlich wichtiger, wenn es wirklich meine Männer wären. Sagt mal« – er schenkte ihr ein seltsam vages Lächeln -, »habt Ihr das Logbuch schon gelesen? Oder gehorcht Ihr ihm derart blind?«
Sie ballte die Faust und versetzte McAvery einen Kinnhaken. Er kippte hintenüber, die Augen vor Überraschung weit aufgerissen. »Dankt Euren Göttern, dass ich großmütig genug bin, Euch die Luft zum Atmen zu lassen.«
Er sagte nichts; seine Wange rötete sich von ihrem Schlag. Falkin machte eine ruckartige Kopfbewegung zur Ladeluke hinüber. »Schafft ihn weg.«
Jarvis führte McAvery ab.
»Tom. Nimm Kurs auf Pecheta, dann geh unter Deck und ruh dich aus. Jaques, du löst ihn ab.«
»Aye aye, Käpt’n!«, antworteten sie beide.
Alles, woran sie die letzten paar Tage über hatte denken können, war gewesen, diesen Mann zu fangen. Jetzt, da sich McAvery in ihrem Gewahrsam befand, würde sie ihn genau im Auge behalten müssen. Zu seiner eigenen Sicherheit ebenso wie zu ihrer. Tot war er ihr nichts wert, aber die Männer sahen das vielleicht anders als sie. Die Vorstellung, die nächsten paar Tage mit ihm zu verbringen, ohne ihn zu töten, war fast unerträglich.
Hudee trat vor und räusperte sich.
»Was ist?«, fragte sie gereizt.
»Es ist wegen der Kiste.« Er zuckte die Schultern. »Sie passt nicht durch die Luke, und wir haben keine passende Winde, um die größere Frachtluke zu öffnen.«
Die Kiste stand mitten auf dem Deck, ein dunkles Rätsel. McAverys kleiner Kasten stand daneben. Falkin hob ihn auf. Er war so lang wie eine Flasche Wein und anderthalbmal so breit und bestand aus schmalen Holzleisten. Der Deckel schien zwischen das obere Ende der Seitenleisten zu passen, aber es waren keine Nägel sichtbar. Schwerer, als sie erwartet hätte – was immer darin sein mochte, es glitt mit einem leisen Klirren beiseite.
»Kapitän?«, fragte Hudee. »Die Kiste?«
»Sichert sie hier an Deck. Und sorg dafür, dass jeder weiß, dass wir sie die ganze Zeit über im Auge behalten müssen.« Falkin kratzte am Deckel des Holzkastens. Er glitt ein Stück auf. Anscheinend würde er sehr leicht zu öffnen sein. »Das hier nehme ich in meine Kajüte mit.«
Sie ging zur Kajüte und trat leise ein. Aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Shadd saß aufrecht im Bett; er hatte sich all die flauschigen Kissen in den Rücken geschoben, um seinen Kopf zu stützen.
»Was tust du da?«, blaffte Falkin.
Er warf ihr über die Schulter einen Blick zu. »Ich gebe mich dem süßen Wohlleben hin. Außerdem wird mein Bauch nicht richtig heilen, wenn ich flach auf dem Rücken liege.« Sein gewöhnlich zotteliges Haar war davon glatt geworden, dass er im Bett gelegen hatte, und seine Augen glänzten.
»Kein Fieber?« Falkin legte ihm eine Hand auf die Stirn. »Hast du heute überhaupt schon etwas gegessen?«
»Mir geht es gut. Jaques hat mir einen Becher Brühe und etwas Brot gebracht. Und ein paar zerstoßene Blätter. Haben zwar so bitter wie alter Staub geschmeckt, sollten mich aber schlafen lassen. Hat so viel Aufhebens um mich gemacht wie eine Frau, aber gesagt, ich würde morgen wieder in der Lage sein
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