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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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dankbar.
    »Sag' einmal,« und Herr Borinsky lehnt sich gemütlich im Sessel zurück, »ist es behaglich bei dir zu Hause?«
    Zu Hause? Ach ja! Das sind ja Ziehlkes!
    »Nein«, sagt Max offen.
    »Wieso? Es sind doch deine Eltern? Du mußt sie lieben . . .«
    »Meine Eltern . . .« wiederholt Max und sitzt starr.
    »Nun: deine Pflegeeltern . . . Sie geben Geld für dich aus; sie geben dir Essen, Kleider, bezahlen die Schule . . .«
    »Ja . . . Aber ich mag sie nicht.«
    »Warum denn nicht?«
    Max wiegt den Kopf. Er kann nicht klar sagen, was er meint. Er denkt an Herrn Ziehlkes spiegelnde Glatze. Er denkt an die verschlafene Madame Ziehlke. Etwas, das ihn herunterziehen will, dringt auf ihn ein. Aber da ist ja noch Magda. Magda ist vorsichtig und fein.
    »Paß gut auf, Max. Es ist ein Irrtum, daß du deine Eltern nicht liebst. Denn du liebst sie ja. Du willst es dir nur nicht eingestehen.«
    Max versucht, sich diese neue Tatsache klarzumachen. Er stellt sich das Ziehlkesche Heim vor. In bengalischer Beleuchtung gewissermaßen. Sie lächeln alle um die Wette, und er lächelt zurück. Ja, es ist wahr! Er hat sich getäuscht! Die Frau hat ein so gutes Herz! Sie redet so drollig! Und auch Herr Ziehlke ist so komisch! –
    Er lacht hell auf.

Max benimmt sich seltsam
    Als er nach Hause kam, war es beinahe halb acht Uhr. Es traf sich, daß Vater Ziehlke schlechter Laune war. Er hatte gerade einen Brief von der Heeresversorgungsstelle erhalten des Inhalts, daß der Fettgehalt seiner Seifen den Anforderungen nicht entspreche.
    Über diese Sache hatte er sehr viele heftige Worte verloren. Die Knochenzufuhr war schwierig; Kopra gab's keine, da saßen die Engländer drauf, und wer konnte Pflanzenfett en gros bezahlen! Katzen und Hundekadaver schienen die letzte Möglichkeit. Aber war das nicht eine unsichere Quelle?
    Die Mutter hatte ihren Optimismus. »Der Krieg«, sagte sie, »hat schon nicht das Blankgeputzte mehr, Ziehlke, wie vor 'nem halben Jahr. Er trägt sich ab, verstehst du, genau wie 'ne neue Uniform, und das ist mit den ganzen Herrn Generals der Fall, auf aller Welt, das kannst du glauben. Gott gebe, daß wir uns durchsiegen, da sage ich ja auch Amen zu. Dralle hat ja auch schon seine Parföngs gesperrt bekommen . . . Aber ich sage durchhalten, wenn's auch Brennspiritus wird. Lob und Dank, sage ich, daß wir keinen Hund haben, an dem du dich könntest vergreifen und ihn zu Seife machen . . .«
    Sie hatte so tierlieb gelacht, doch dieser makabre Humor seiner Gattin fand kein Echo in seiner Seele.
    Man saß schon zu Tisch. Vater Ziehlke sah mit seinen wimpernarmen Augen grell auf, als Max Platz nahm. »Immer mit der hohen Ruhe«, sagte er schneidend. »Nicht mal 'ne Entschuldigung, einfach wie 'n Tiger aufs Essen.«
    Max hielt mit der Gabel inne. »Ich bitte«, buchstabierte er korrekt, »um Verzeihung wegen meines Zuspätkommens. Herr Borinsky hatte mich eingeladen.« Dann nahm er seinen Pfannkuchen wieder aufs Korn. Er hielt die Sache für erledigt.
    Papa Ziehlke war nicht zufriedengestellt, durchaus nicht.
    »Borinsky«, sagte er. »Auch so'n Pollack.«
    »Na, na«, meinte die Mutter. »Er ist sein Lehrer, Ziehlke.«
    »Lehrer . . .« stellte Ziehlke anheim. Sein Mund hatte die Hufeisenform. Viel Unausgesprochenes lag in der Luft. »Lehrer oder nicht. Du hast pünktlich zu sein.«
    Wieder legte Max die Gabel hin. »Ich habe Sie doch schon um Verzeihung gebeten?!« sagte er erstaunt und blickte in der Runde umher. Worauf Magda aufglänzte, Frau Ziehlke Brotkugeln herstellte und Vater Ziehlke mit heftigen Bewegungen einen Kognak nahm, die Nase sehr krauste und ihn anbellte: »Schweig!!«
    – – – Max aß nichts mehr und saß still. Und während ein ungemütliches Schweigen über die Gruppe sank und die Uhr laut durchs Zimmer tickte, gebar sich in ihm ein Entschluß.
    »Gestatten Sie,« sagte er plötzlich, »daß ich mich zurückziehe?«
    Ziehlke stieß kurze Luft durch die Nase. »Wir gestatten«, sagte er. –
    Max faltete seine Serviette sorgfältig zusammen, und seine dunklen Augen verschlangen Magda, die ihm demütig und begeistert zusah, wie er sein apartes Wesen trieb. Hierauf schien es, als ob eine Stahlfeder sich in Max straffe. Er verbeugte sich nicht nur wie gewöhnlich im allgemeinen vor der Familie, sondern ging diesmal um den Tisch herum, um zum Abschied allen die Hand zu reichen.
    Er hielt sich aber nicht nur bei bloßer Markierung eines Handkusses bei Frau Ziehlke auf, sondern bückte

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