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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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untereinander. Der große schwarze Hahn hieß Juan, nach mir – wissen Sie noch? – und lebte in der Sonne; und die schwarze Henne, die Freundin von Dolores, war Kleinhuhn.– Sie war im Mond zu Hause. – Nachts durften sie zusammenkommen.«
    Die Zigarette im silbernen Schwarz glühte auf; der Gesandte schloß bestätigend die zerknitterten Lider über den gewölbten Augen. Er wußte dies nicht mehr. Doch verschlug es nichts.
    »Fahren Sie fort, Juan. – Erzählen Sie von Ihrem Vater, meinem Freunde.«
    »Mein Papa . . . ach, lachen Sie mich nicht aus, – ich weiß nicht, wo ich beginnen soll . . . Er hatte grüne Augen, wie? Er konnte mit den Rottos lachen, die ihre Esel nach der Plaza trieben, und dann, wenn er mit Ihnen sprach, war es feines Castilianisch . . . Er trug den Bart kürzer als Sie, und spitzer . . . Ich war dabei, wenn man ihn schnitt. Ich freute mich über die Angst des Friseurs. Seine Wäsche, seine Schuhe, seine Hüte . . . er bezog sie nie vom Laden, sondern ließ sie anfertigen für sich. Er war einer der schönsten Männer, Don Alamos, und nicht schwach oder eitel, sondern er trotzte drei Operationen und verschaffte sich Respekt. Einmal erschoß er einen Pfau, der vor seinem Zimmer schrie, durch die Fensterscheibe. Er hatte das schnelle Blut; – dabei war er stark wie Stahl.«
    »Gott weiß es, Juan. – Und wie war es? Wann sah ich euch zum erstenmal? Wie lernte ich ihn kennen, Ihren Vater Enrique?«
    »Sie boten ihm einen Extrazug an nach Iquique zur ›Ema Luisa‹ – zur Salpetermine; – er übernahm sie dann und machte Geld daraus. Und später holten Sie uns wieder ab mit Ihrer Privatjacht, ›der Abwechslung halber‹, sagten Sie; wir kamen bis Valparaiso; es war amüsant. Dies alles geschah, weil mein Vater die Banco de Santiago rettete . . . Die Direktoren wollten sich zu den Einlagen der Teilnehmer verhelfen, also auch zu Ihrem Geld; aber mein Vater warf sie als einzelner Aktionär alle hinaus . . . sie hatten Namen wie Balladenstrophen, aber es half ihnen nichts . . . Da waren Sie voll Freude, Don Alamos, und schlossen mit meinem Vater unverbrüchliche Freundschaft. Sie schickten auch den Priester, der ihn warnte, als die gekauften Rottos mit den Revolvern hinter den Kakteen hockten . . .«
    »Es ist alles wahr, Juan. – Niemand kann es wissen außer Ihnen und mir. Ich staune; ich bin erschüttert. – Sehen Sie mich nicht an. – Berichten Sie weiter. Ersparen Sie sich nichts; es sei für dieses eine Mal. – Wie stand es mit Ihrer Mutter? «
    Juans Gesicht weitet sich bis in frühe Kindheit. Wovor warnt sein Vater, vor jeder Operation? – »Sagt es ihr nicht, Kinder; stört sie nicht; sie leidet an Kopfweh . . .« Wo ist sie, und wann sieht man sie überhaupt? Und doch ist sie auf unerklärliche Weise mit des Vaters aktivem Leben verkettet, schiebt sich stets hinter ihn wie eine Rollkulisse in Grau, hinter der es nach Medikamenten duftet. Sie ist immer zugegen, aber man ahnt sie nur – wie den Ahnenschrein eines reisenden Japaners . . .
    Ein Hotel oder ein dunkles Privathaus. Wir müssen zwei leere Zimmer durchschreiten, Dolores und ich. Ganz hinten sind Kissen, und daraus spricht es mit uns: sanftes Deutsch mit spanischen Kosenamen. Die Mutter ist deutsch, blond und hat immer Migräne. Stets legt sie Patience. Sie treibt ihre Krankheit als schweigsamen Aufwand; sie sitzt schallsicher in dreifachen Kissenschichten – die Mutter . Was bedeutet das: »Mutter«?
    Sie ist menschlich nicht faßbar. Ihre Tyrannei schlägt keine Beulen; sie bedrückt nur aus der Ferne. Ihr Egoismus ist naiv; er hat etwas ungeheuerlich Zwingendes, wohin er auch seine sanften Finger legt . . . auf die Erziehung der Kinder, auf den Geist des Mannes, auf eine zum Stummsein gedrillte Dienerschaft . . . Man will sie lieben, aber sie wehrt ab; immer wehrt sie ab.
    Sie sieht ihre Kinder wie Schemen durch den Schleier ihres »Kopfwehs« tasten; sie hört ihre Rufe, doch in ihren Ohren braust das sanfte Fieber; sie kränkelt dahin; sie verträgt die Sonne nicht. Und so hört sie ihre Kinder nicht. Die Jalousien öffnen sich nicht mehr; will man sie retten, so muß man in ein deutsches Bad.
    Und so schifft man sich ein im Juni – auf der »Etruria«.
     
    Auf der »Etruria‹«, flüstert Don Alamos. »Ja; das ist schauerlich. Es strengt Sie an, Juan; ersparen Sie sich die Schilderung.«
    »Nein, Don Alamos; ich will Ihnen erzählen . . . ich muß es erzählen,

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