Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
der still gesessen, verfiel in ein entzücktes Gaudium.
Eine Welle prustender Heiterkeit überschwemmte die Menschen.
Die Dame an Herrn Perlafingers Tisch, die Situation nun endlich begreifend, beugte sich nach hinten und gab weiche Schreie, glucksende Lachkaskaden von sich. Ein Puderwölkchen löste sich aus ihrem hüpfenden Busen. »Einrahmen müßt' man Sie,« schluchzte sie dabei, »unter Glas stellen, Herr Hofrat . . . Nein, das ist gar zu köstlich . . . Einzigartig ist das . . . Nein, ich erstick' ja . . . ›schwarz‹ sagt er . . . Schön dunkelbraun, wie? Mokkafarbig! . . . Schön schokoladenbraun, wie? Das ist einmal eine Sensation! Ganz was Apartes!«
Perlafinger blickte sich vollkommen hilflos um.
»No ja«, murmelte er gedämpfter . . . »Also eine Negerin is das Fräulein Baker; jetzt das is aber eine Überraschung . . . Eine Negerin . . .«
Er murmelte es zwar, aber das Ohr der Menge war auf ihn eingestellt. Man wieherte von neuem.
Die Empfangsdame verschluckte sich, prustete und verschwand.
Perlafinger, immer noch leise den Kopf wiegend, spähte umher; dann, als es stille wurde, beschloß er, sich als scherzenden Kenner zu zeigen. Er brannte sich eine »Virginier« an und benahm sich unbeteiligt. Mochte ein beliebiges Schicksal nun über ihn hinwegrasseln mit Blech und Kalbfell und Saxophongewinsel.
– – – Miß Josephine Baker hatte augenscheinlich den Tumult als eine spontane Huldigung für ihre Person aufgefaßt. Man äußerte ja seinen Beifall in jedem Land, dem sie ihr Auftreten schenkte, auf verschiedene Art. Darum entblößte sie unangefochten ihr prächtiges, schlohweißes Gebiß, lächelte ihr berühmtes langsames Lächeln, das wie eine Eröffnungsfanfare zur Szenerie ihres Körpers wirkte, und begann auf einem Fleck zu tanzen, wobei sie die Arme nach unten stemmte und die Kehle hervordrückte.
Mit einem weichen Urwaldschrei schmiß sie darauf ihre schlanken Schenkel auseinander, umwandelte die Peripherie des Lokals in Kniebeuge und ließ mit eingebuchtetem Kreuz das kleine Gesäß sinnverwirrend rollen. Zwischendurch wackelte sie auch damit. Sie verlieh diesem Körperteil eine eigne, anheimelnde Physiognomie. Wieder in der Mitte des Saales angelangt, drängten die Synkopen des Orchesters mit Trommelverstärkung ihre Gliedmaßen zu gesteigertem Tempo. Sie verschränkte die Kinderarme hinter dem Kopf und ließ die Knie wie Kautschukbälle aneinanderprallen. Schließlich wirbelte sie umher . . . Der schlanke, braune Leib wuchs hoch und höher, von den Zehen gelüftet, wie eine Amphora am Kreisel eines Töpfers.
»Jessus«, dachte Herr Perlafinger und hatte Stielaugen. »Ganz nackt sein . . . und so hupfen . . . Ja, gibt's denn das . . .«
Er war geblendet; war hypnotisiert. In der Tat hatte Miß Baker nichts auf dem Leib als ein Schlupfleibchen aus braunem Seidentrikot; dieses saß wie angegossen und trieb so vollkommene Mimikry, dank der Farbe, daß es tatsächlich gewissermaßen gar nicht vorhanden war. Die kleinen Brüste steckten ihre Näschen keck in die Luft; zweifellos bestanden sie ebenfalls aus Hartgummi; sie zitterten kaum trotz all der Arbeit. Allmählich glitten Perlafingers Gedanken aus der reinen Ablehnung in neutralere Bahnen.
»So ein ausgeschamt's Weib«, dachte er. »Aber Mut hat sie, Mut . . . ›Was wollt s' denn?‹ dachte sie ganz bestimmt so bei sich – ›habt ihr vielleicht eine Ahnung von der großen Kunst, die ich euch hinwerf'? Hab' ich das vielleicht nötig, in euerm kalten Klima, daß ich mich öffentlich auszieh' bis aufs letzte Unterleiberl und euch was vorhupf' in meinem Naturzustand? Aber ich bin eine Jüngerin der Kunst ‹ . . .«
Solche Gedanken vermeinte Herr Perlafinger von ihrer kleinen Stirn abzulesen und vom sieghaften Blick ihrer rollenden Antilopenaugen. Sie formulierte ihre Gedanken vielleicht nicht exakt so hochgebildet – sie hatte wohl auch kaum eine akademische Bildung genossen! – Aber immerhin hatte sie den Trieb zum Höheren, das war einmal klar. Perlafinger wußte genau, was es auf sich hatte mit dem Trieb zum Höheren.
Als ob sie fühle, daß sich der nette Herr dort mit ihr beschäftigte, drehte Miß Josephine ihr Vogelköpfchen zu ihm herüber und ließ ihr Porzellangebiß wieder erblitzen.
»Bravo!« schrie der Hofrat und klatschte was er konnte. Zu spaßig sah dies Köpfchen aus im Rahmen der verschränkten Arme. Die hart an den Kopf gekämmte, lackschwarze Scheitelfrisur
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