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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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nach. »Haben Sie schon das Visum nach Amerika in der Tasche?? Feiner Empfang, der Ihnen da blühen wird. Wissen Sie denn noch nicht, daß wir das Geschmeiß sind in aller Welt? Und wo wollen Sie sich denn noch Haltung pumpen, außer hier?«
    Die Tür zum Büro stand offen. Herr Brecht hatte seine Stimme gegen Schluß etwas gesteigert. Das durch die Drehtür strömende ausländische Publikum vernahm zweifellos noch die Endsilben seiner prächtigen Bemerkungen. Manche begriffen's, manche nicht. Im übrigen war es ja auch belanglos. Aber in Herrn Zinkeisen entstand das Gefühl, als ob etwas in ihm um eine Etage tiefer sackte. Schöner kann man sich nicht prostituieren, dachte er, während er in steifer Haltung langsam durch das Vestibül schritt. ›So weit sind wir nun, hurra!‹ Eine Art Verschmitztheit packte ihn plötzlich. Er krempelte sich innerlich die Hemdärmel auf. ›Na, denn man zu! Wozu denn auch die dumme Verstellung! Was soll man noch mit einer Würde protzen, die längst hinuntergeschwemmt ist, wie schlechter Stuck von gestern!‹ In sein Hirn, wie Kautschuk, schnellte immer wieder dieselbe zähe Vorstellung zurück: ›Da hat dieser Mensch ein paar hundert Pfund, und benutzt sie noch nicht einmal, um durchzubrennen . . .‹ Das Bild seines Heims verfolgte ihn wie ein Kobold. Er kniff die Augen zusammen, wie um es nicht sehen zu müssen, und genehmigte sich wieder ganz gegen seine sonstige Gewohnheit in der Bar ein scharfes Getränk . . . Das machte das Kopfweh, verstehen Sie? – Ein leichter Fieberanfall vielleicht . . .
    An dem heutigen Abend kostete es ihn noch größere Mühe, so zu tun, als sei sein Interesse an den englischen Herrschaften rein funktionell. Der pockennarbige Ober wurde mit leichter Handbewegung wieder aus dem Bannkreis des Tischchens entfernt. Er versorgte ja ohnedies noch vier andere Tische . . . Herr Zinkeisen hatte das Feld für sich. Dies wäre (in Anbetracht der erwähnten gottgewollten Ausnahmestellung dieser Gäste) nicht aufgefallen, wenn Herr Zinkeisen für Kenner seines sonstigen Gehabens des Guten nicht ein wenig zu viel getan hätte. Aus der Weinbestellung wurde eine geflüsterte Konferenz. Die Wahl des Menus verstieg sich in höhere Politik. Sein Englisch, in letzter Stunde frisch memoriert, hinlänglich abgeschliffen, erstrahlte in bescheidenem Glanz. Selbst kleine Kürzungen brachte er an, die er irgendwann einmal als schick empfunden. Er gebrauchte von dem Sekt den Ausdruck »
topping
«, oder »
ripping
«, oder was solcher sportlichen Wendungen mehr waren.
    Die Dame lachte amüsiert. Es war ein kindliches, glockenreines Lachen, das ihre Schultern beben machte. Sie betrachtete sich Herrn Zinkeisen, wie man eine Sehenswürdigkeit zu Notiz nimmt. Dies war ein Mann, der den Jargon eines englischen Dieners im Munde führte und dessen Format dennoch so was Erdrückendes hatte. Alte, tuschelnde, vertrocknete Diplomaten war sie gewöhnt, die sich stuhlrückend und einschmeichelnd sanft, im übrigen stumm wie Fische um sie bewegten . . . Sei es in ihrem Heim, wo sie schwarze Velourfräcke mit leise knirschenden Kniehosen trugen, oder sei es in helvetischen oder französischen Hotels, wo sie sozusagen nur symbolisch vorhanden waren als Bestandteil des Milieus. Doch daß sich ein stämmiger Niedersachse mit treuherzigem Feldherrnblick diesen gesäuselten Ton leistete, fiel ihr als drollig auf und stimmte sie leicht albern. Ein ebenso starker Anreiz zum Humor war ihr in diesem Zusammenhang der korrekte Ernst ihres Gemahls. Sie wurde blendender Laune, sie schmunzelte Herrn Zinkeisen sogar diskret ein wenig zu. Das Moiréband auf einer Schulter glitt ein paar Zentimeter herab; das kam von verschlucktem Beifall, und sie tat gar nichts, um das kleine Derangement an ihrer Toilette richtigzustellen. Die Bedienung hatte vorläufig, abgeschlossen durch drei angedeutete Bücklinge und ganz leichtem Klappen der Lackschuhe aneinander ihr Ende erreicht, und Herr Zinkeisen zog sich mit der fröhlichen Verheißung zurück, daß er persönlich in der Küche noch nach dem Rechten sehen werde. Sein Gesicht war etwas gerötet, als habe er eine Gewissensfrage in Ordnung gebracht.
    Der Engländer schickte einen grauen Blick hinter ihm her und bemerkte dann mit leblosen Lippen und stärker vorgeschobenem Oberkiefer etwas von »Zudringlichkeit«. Diese Bemerkung wurde von der jungen Dame durch silberhelles Lachen entgiftet. Er sei humorlos; sie finde den Mann ganz originell. Auch

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