Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
nicht eifersüchtig sein auf mein Spielzeug?«
Das Weiße in Borromeos Augen quoll hervor; seine Halsadern schwollen. Er war in einer Verfassung, in der man leicht dazu kommt, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Er pöbelte daher und behauptete, er wisse genau, was es mit dem »Spielzeug« auf sich habe. Er sei Manns genug, sich das nicht bieten zu lassen. Und um dies zu beweisen, gab er der Athletin Barbara eine Ohrfeige, die einen Ochsen betäubt hätte. Es knallte wie ein Schuß. Sie fuhr aus dem Sessel und flüchtete aufheulend in eine Ecke.
Mit kaum zu beschreibender Schnelligkeit wand sich Niklas ihr nach und sprang vor ihr in die Höhe in seinem flimmernden Schuppenkleid. Sie heulte schnaubend, und aus ihren törichten, verwaschenen Augen träufelten Tränen und schwemmten das Schwarz über die Backen bis in den zitternden Mund. Der Italiener stand noch ruhig auf der Stelle, wo er die Züchtigung vorgenommen, und betrachtete, die bronzenen Fäuste in die Hüfte gestemmt. flammenden Auges die Gruppe.
»Sie Unmensch!« schrie Niklas tapfer in seinen überschnappenden nasalen Lauten. »Was für ein Recht haben Sie, die Frau zu schlagen?«
»Hach!« sagte der Italiener langsam. »Was für ein Recht ich habe!
Corpo della Madonna!
Dasselbe Recht, mit dem ich dich jetzt hinauspfeffere, daß dir die Lust vergeht, dich hier bei Damen herumzutreiben . . . .«
Und er kam mit wogenden Schultern näher. Und jetzt erfuhr Niklas für seinen Heroismus von Barbara einen Dank, den er nicht erwartet hatte. Sie stieß ihn schmerzhaft in den Rücken und zischte:
»So geh' doch schon, mach' doch, daß du fortkommst, du unausstehliches, aufdringliches kleines Biest! Merkst du denn nicht, daß Signor Borromeo dich nicht wünscht? Und wünsche ich dich denn?«
Und nicht genug an diesem Undank: sie zwickte ihn. Ein Schmerz wie ein Feuerstrahl durchzuckte ihn. Er fiel zusammen und lag still. –
Signor Borromeo indessen, der seinen Humor wiedergefunden, stand Arm in Arm mit seiner Freundin vor ihm und blickte auf ihn herab. Barbara stieß Niklas mit der Fußspitze in die Weiche.
»Rasselos«, sagte Signor Borromeo sachlich. »Und degeneriert. – Ein Nigger.«
Von diesem Abend ab ließ Niklas sich nicht mehr in der Garderobe blicken. Er hätte wissen müssen, daß Barbaras Zorn auf ihn nur Theater war Borromeos wegen; daß ihr ganzes häßliches und himmelschreiendes Benehmen gegen ihn, den unschädlichen kleinen Verehrer, nur ihrer Angst vor einer zweiten Maulschelle entsprang.
Aber um dies zu überblicken, war er zu exotisch. In seinem Spezialfall vielleicht zu malaiisch. Eine Frau hat kein Recht, in einem Duell zweier Männer ihrethalben Partei zu ergreifen. Doch auch der Europäer in Niklas (vermutlich ein fraglicher Mijnheer) – dieser entwurzelte Weiße fühlte den Gentleman in sich mißhandelt.
Es war unvorsichtig von Barbara, eine silberne Schlange zuerst an ihrem Busen zu nähren, ihr dann ohne Grund auf den Schwanz zu treten und sich an ihrer Angst und Entrüstung zu weiden, statt sie mit der Milch ihrer Zuneigung zu laben. Niklas lief von jetzt ab (wie sie allzu gut verstanden hätte) durchaus nicht umher als scheues, verwundetes Wild. Er begann im Gegenteil, so keusch er auch vorher gewesen, Gefallen daran zu finden, sich den »
Fife Smashing Beauties
«, wie die Truppe sich nannte, enger anzuschließen und ihren schlichten Zoten zu lauschen. Erschien Borromeo, so verfolgte Niklas ihn prompt mit seinen löcherartigen Augen. – Zunächst wandte der Athlet sich ab oder sah über ihn hinweg.
Dann aber geschah es regelmäßig, daß er schnell, wie verstohlen, die Hand mit seltsam verschränkten Fingern in die Richtung des lauernden Knaben schob und vor sich hinspie: ah! – Das war die Angst vor dem Bösen Blick!
Niklas sah diese Geste, freute sich und führte die Zungenspitze am Mundrand spazieren. Seine Augen wurden noch greller, noch löcherartiger, und klebten an Borromeo. Dieser betrank sich. Wo er Niklas witterte, spie er aus. – Niklas freute sich und haßte wacker weiter.
Diese Konzentration, die ja auch aus einer Überfülle von Temperament kam, schadete seiner Produktion nichts. Ganz im Gegenteil: er war noch nie so in Form gewesen, hatte noch nie mit so herzbeklemmender Selbstverständlichkeit und Lebensverachtung seinen Akt absolviert.
Bevor seine Nummer kam und während der Schimmer der Bühne kalkblau in den Zuschauerraum kroch, konnte man ihn erkennen, wie er, halb stehend und die
Weitere Kostenlose Bücher