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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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als Stützpunkt für eine Streckschwebe benützten. Auf dessen Schultern wiederum solle Barbara einen geknickten Handstand machen mit gespreizten Beinen. Das ganze nenne er Die lebende Blume , und er verspreche sich viel davon zu Trommeltusch und bengalischer Beleuchtung. Der Trick erfordere eine Woche Training und sei ein glänzender Abgang für die Saison.
    Beifallsgemurmel. –
    »Aber welche Verwendung« – rührten sich jetzt die Brüder – »habe man dabei für Niklas? – Er sei effektvoll . . .«
    »Ha!« sagte Borromeo. »Er getraue sich, die lumpigen achtzig Pfund noch hinzuzunehmen. – Aber –« – und hier vermied er wieder die Augen, die ihn anglupten wie glimmende Löcher – »dieser Nigger müsse sich an ihnen emporhanteln, wenn er auf Barbaras Gesäß hinauf wolle. Dann aber könne die Gruppe die Balance nicht wahren . . . Er lehne ihn also ab.«
    Man dachte nach.
    Plötzlich unterbrach Niklas das Schweigen mit der singsangartigen, nasal hervorgestoßenen Bemerkung:
    »Mr. Borromeo sagt, mein Gewicht macht ihm nichts aus. Er ist sehr stark. Er sagt, man macht eine Lebende Blume.
Well
, zu einer Blume gehört ein – Smeterling , das aus die Blume saugt . . . herabswebt  . . .«
    Alles horchte auf. Die Idee zündete.
    »Fräulein Barbara . . . sie macht ein Handstand.
Well
. Sie streckt das – er kämpfte um das Wort – Gesitz in die Luft. – Ich komme vons Trapez und mache mein Handstand auf Fräulein Barbaras – Gesitz.«
    Ein großes Gelächter setzte ein, besonders da Niklas seinen Vorschlag mit viel modellierenden Handgesten begleitete. Unwillkürlich wanderten die Blicke nach der trikotübersponnenen Gegend an der Person der Athletin. Dieser Körperteil war an ihr in der Tat so prächtig entwickelt, daß er ein einladendes Feld für Experimente bot. Sie wand sich geziert und kreischte belustigt auf, wobei sie Niklas einen Rippenstoß versetzte.
    Borromeo zerrte nervös an seinem gewichsten Bart und fluchte leise und heiser. – Er fühlte sich überstimmt und zuckte mit den Schultern . . .
     
    Schon am nächsten Nachmittag begannen die Proben. Daß ein Handstand auf noch schmalerem Fundament als auf Barbaras ausgedehnter Sitzbasis nur eine Lappalie für Niklas bedeuten konnte, war im vornherein klar. Er wurde instruiert, sich beim ersten Pfiff von einem Trapez herab beim Aufrollen des Vorhangs mit großer Vorsicht auf den ihm zugedachten Platz herabzulassen . . . mit größter Behutsamkeit! – und dann, wenn Borromeo einen zweiten Pfiff tue, solle er sich wieder aufs Trapez zurückbegeben.
    Zahllose Male versuchte man den Trick, ehe er gelang. Zunächst war Borromeo kaum imstande, stehenzubleiben und mußte sich von hinten stützen lassen. Die Hände hinter dem Nacken ineinander verankert wie stählerne Zinken, den Stiernacken gebeugt, so daß er mit den gebirgigen Schultern eine einzige Wellenlinie bildete, hielt er als zweiter Atlas zitternd stand. Auf ihn senkte sich ruckweise die ungeheure Last. Es ächzte aus dieser Last; Schweiß tropfte herab heiß wie Wachs.
    Das erste Mal schluchzte Borromeo, fluchte schauerlich und betrank sich. – Das zehnte Mal wischte er sich lediglich den Kopf mit einem gewaltigen Kattuntaschentuch, aus dessen Mitte im Farbdruck der »Duce« grollte, grinste erschöpft und griff nach einer Zigarette.
    Die Schmeicheleien, mit denen man ihn überschüttete, ließen seine Eitelkeit zur Ekstase schwellen und lösten ihm die Zunge. Er gab sein holdes Geheimnis preis, indem er von nun ab ohne Scheu von Barbara öffentlich Besitz ergriff als von der ihm vorbestimmten Braut. Was sollte man tun? Man verhieß, sie ihm nach der ersten offiziellen Darbietung seiner Wunderleistung anläßlich einer entsprechenden Verlobungsorgie in aller Form an die tätowierte Brust zu legen . . .
    Was Niklas betraf, so hatte er sich einige Male zart wie ein fallendes Herbstblatt auf der Spitze der Pyramide niedergelassen. Die nächstbeteiligte Person, Barbara, hatte ihn kaum gespürt. Er hatte einen silbernen Ring aus sich gemacht, war langsam wie ein Sekundenzeiger im Umlauf einer Minute auf die Füße zurückgesunken, hatte sich aufgerichtet und das Trapez wieder erangelt, dunkel blinzelnd und traumwandlerisch gewandt . . .
     
    Der große Abend ist da.
    Der Trommeltusch rollt.
    Der Scheinwerfer speit zischend seinen Lichtkegel auf die Bühne. Sie sind in Weiß, die »
Fife Smashing Beauties
«; nur die Athletin Barbara trägt ein grellrotes

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