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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Brusttrikot zu kokett gebauschter Schoßhose. Ihre weißbepuderten nackten Beine enden in roten Sandalen.
    Es ist eine ungeheure lebende Blume aus bebendem Fleisch, die dort entfaltet prangt. Es ist, als streiche ein flauer Wind über ihre gespreizten Blätter, die aus drei Schenkelpaaren bestehen. Fast unmerklich schwankt das Gebilde, doch es steht! – Es steht!!
    Rasselnder Atem dringt aus ihm hervor, gewürgter, – das ist die knirschende Selbstvergewaltigung von fünf Körpern. Die Blume wird zitronengelb, dann tintenblau, dann purpurn. In diesem Purpur wirkt Barbara fast schwarz. Dann ergrünen sie alle in einem fahlen Seegrün – und es pfeift ganz unten. Pfeift kurz und schrill.
    Ein flimmerndes Insekt pendelt herab; läßt sich langsam nieder auf dem höchsten Blatt der Blume . . .
    Was tut es dort? Es tastet, regt sich. Will es vordringen in den Kelch?
    Immer noch brodelt dies fahle Seegrün auf der Gruppe.
    Niklas sitzt auf den Fußballen, auf den Schenkeln Barbaras.
    Er sieht, umrahmt vom blaugeäderten Fleisch zweier gestreckter Kniekehlen, das Kinn der Athletin und ihre pralle Unterlippe. Sein Blick taucht an einer weißen Männerbrust herab mit pulsierenden Muskeln. Und ganz unten sieht er schwärzlich beflaumte, grobe Finger, verhakt wie Greifzangen auf einem angekitteten Scheitel, dessen widerlich weiße Rinne sich über einem kantigen Hinterkopf bis in den Nacken windet. Zwei Ohrmuscheln stehen von ihm ab wie rote Trichter.
    Die Augen des kleinen Niklas verengen sich zu schwarzen Ritzen.
    »Nigger« hatten sie zu ihm gesagt, als er auf dem Boden der Garderobe lag. »Degeneriert« hatten sie ihn genannt; – »zudringlich« . . .
    Und er erhebt sich in den Handstand. Seine Hände greifen in das elastisch emporschwellende Fleisch; fast gewichtslos schleudert er seine schlanken hellbraunen Beine empor und biegt das Kreuz ein, daß die Pailletten des flimmernden Panzers knirschen.
    Da pfeift es unten ein zweites Mal; halberstickt.
    Niklas weiß, nun soll er wieder von dannen »schweben«; zum Trapez zurück; naschhaftes Insekt soll er sein; flüchtiger Falter.
    Aber er tut es nicht. Er hält sich weiter im Handstand; ja, er tastet einen Zoll nach vorn, den blaugeäderten Kniekehlen Barbaras zu.
    Sein glühender Blick sticht hinunter, in Borromeos Hinterkopf. Nervosität, dann Angst beginnen durch dessen Stiernacken zu zittern. Vor seinen blutunterlaufenen Augen, in qualvoller Bemühung halb emporgedreht, zerfließt das Publikum zu einer einzigen bleichen, verstörten Maske. »Nun hab' ich euch in der Hand«, denkt Niklas und Wollust durchschüttelt ihn. »Nun seid ihr mir ausgeliefert . . . ihr plumpen Tiere . . .«
    Und statt sich vorsichtig wie ein Hauch wieder auf die Füße zu stellen, springt er und stößt sich ab; tritt mit Kraft in diese Doppelrundung hinein, in dies aufreizend und brutal geballte Fleisch; hängt wieder am Trapez und schwingt sich . . . schwingt sich mit schrillem Schrei . . .
    Im schaukelnden Gesichtsfeld sieht er die Gruppe auseinanderpurzeln. Und inmitten der Katastrophe, dumpfen Publikumsaufschrei im Gefolge, geschieht ein Krach; ein kurz prasselnder Ton.
    Es klingt, als ob man eine Kokusnuß zerspellt.
    Es ist die Athletin Barbara, die sich überschlagen hat und mit ihrem ganzen Gewicht aus fast drei Metern Höhe auf Borromeos Nacken landet . . .
    In einem rotbespritzten Brautbett, die mächtigen Glieder seltsam ineinander verankert, – so liegen die beiden da.
    Die Trapezschaukel knarrt in immer gewaltigerem Schwung, als wolle sie das flimmernde Wesen bis zu den Sternen schleudern. Wie ein Geierschrei dringt es herab. – Noch hinter dem Vorhang, der im Tumult herabschießt, hört man diesen hellen, triumphierenden Schrei.
     
Drittes Bild
Der Apfelsinentrick
    Zu Hamburg auf dem »Meßberg« steht ein riesiger Lagerschuppen: die »Kasematten«; dort werden die ausgebooteten Südfrüchte sortiert, aufnotiert und den Bestellern zugeteilt. Bei diesem Geschäft blüht der Gelegenheitsweizen der »Hoppenmarktslöwen« – jener sonnigen, weitbehosten, in Sweater und Schiffermütze gekleideten Existenzen, ohne deren Organisiertalent wohl manche Marktfrau aus ihrer wettergebeizten Haut führe. Denn die Hoppenmarktslöwen verhelfen einer jeden dieser Matronen zu ihrem Anteil und opfern – gegen geringes Entgelt – bei jeder neuen Sendung ihre Muße. Sonst könnte man sich gar nicht ausdenken, was für Schlachten geschlagen würden unter den Besitzerinnen

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