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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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brüchiger Schornstein knatternd über das Blech von Regenröhren, und ehe Harald sein eigene Stimme bemerkbar machen wollte, war der Schatten auf der Straße spurlos verschwunden, wie aufgelöst in den Hexentanz der anderen, die längs der Häuserwände hin und her fuhren.
    Er schlief in dieser Nacht nicht mehr. Die Erwartung des Abenteuers bedrückte sein Herz und ließ es beschleunigt schlagen wie in frühen Schulzeiten, wenn er einen gewagten Streich im Sinne hatte, zu dem wohl alle Sicherungen getroffen waren, der aber unter Umständen Ertappung und Bestrafung möglich machte.
    Die knabenhafte Freude an Geheimniskrämerei überwog.
    Er überlegte sich, ob er für alle Fälle – und sei es nur der Hunde wegen – eine Waffe mitnehmen solle; schlich dann ins Arbeitszimmer des Vaters hinüber und stahl nach einigem Suchen dessen automatischen Revolver, ein kurzes, handliches Ding aus schwarzem Stahl, das sich gut in der hinteren Hosentasche unterbringen ließ.
    Er verwischte die Spuren des Diebstahls, so gut es ging, ging dann wieder in seine Kammer und kleidete sich an. Er durfte kein Aufsehen erregen durch zu frühes Wachsein. Es hieß Geduld üben und beim Frühstück wie auch beim Mittagessen das gewöhnliche Gesicht zeigen. Was brauchten seine Eltern auch zu wissen, daß er Beziehungen zu dem Gelben unterhielt? Mit der Zeit, wenn unsere Bekanntschaft nicht mehr so jung ist, kann ich sie ja darüber aufklären, und mein Vater wird Lebensart genug haben, nicht taktlos dazwischenzufahren.
    Der Föhn dauerte auch den ganzen Morgen noch an. Leichte warme Regenschauer wechselten mit blauem Himmel. Um zwei Uhr machte er sich auf den Weg, ohne sich zu verabschieden, denn er würde ja bis Abend wieder zurück sein, und wenn es später wäre, so könne er ja irgendeine Ausflucht bis dahin ersinnen.
    Als er in das Wäldchen eintrat, übersprühten ihn die Bäume mit unablässigen Tropfengarben, so daß ihm die Nässe bis auf die Haut drang. In ziemlich beschmutztem Zustand und von Kühle schauernd, kam er um die angegebene Zeit vor dem schmiedeeisernen Gitter der Umfriedung an.
    Eine Klingel war nicht zu entdecken. Die drei großen Doggen schritten langsam heran, die eckigen Köpfe starr dem Besucher zugewandt. Er versuchte, sie zu locken und ein freundliches Wort zu sprechen. Doch all dies hatte nur den Erfolg, daß sie etwas näher kamen, dann auf säulenstarren Beinen gleich Monumenten umherstanden und leise knurrten, mit jenem tief aus der Brust heraufgeholten Knurren, das viel bösartiger ist als lautes Gebell.
    Er suchte nach einer Klingel und fand sie nicht. Doch mit einem Male tat sich lautlos die Tür im Eingang hinten auf, und der Doktor schlüpfte heraus.

»Im Interesse der Wissenschaft . . .«
    Er war makellos gekleidet. Ein niederer Kragen von schneeiger Korrektheit mit schwarzer Binde umschloß seinen Hals, und ein unauffälliger grauer Anzug von bestem englischen Stoff umhüllte, verschwenderisch geschnitten, die hohe Figur. An den Füßen trug er ausgeschnittene Hausschuhe aus Ziegenleder. Da der Weg mit Kies bestreut war, brauchte er keine Angst zu haben, sie zu beschmutzen, was er bei seinem katzenleichten Gang auch sonst vermieden hätte. Er trug eine goldene Brille und winkte freundschaftlich mit der Hand. Auf ein kurzes unverständliches Wort hin zogen die Bestien sich in geziemende Entfernung zurück. Der Doktor raschelte eine geraume Weile mit einer großen Menge von kleinen Schlüsseln an allerhand versteckten Innenschlössern; dann öffnete sich das schwere Tor lautlos und ließ Harald durch.
    Dr. Sze schloß ebenso sorgfältig wieder ab – (der Hunde wegen – wie er lächelnd sagte; denn diese hätten schon öfters versucht, auszubrechen); – und dann führte er seinen Gast in das Haus.
    Die Messingtür schnappte hinter ihnen zu mit einem leisen »Klick«, und Harald kam es einen Augenblick so vor, als ob etwas in seinem Leben damit entzweigeschnitten werde . . . Auch besorgte es ihn flüchtig, daß die Tür innen keine sichtbare Klinke oder Schloß trug, sondern glatt poliert war und sich schier ohne Ritzen in ihren Rahmen fügte.
    Dr. Sze geleitete ihn in einen kleinen Vorplatz und von dort in eine Art Laboratorium, das in jeder Beziehung modern eingerichtet schien, besonders was die elektrischen Anlagen anging, die er offenbar durch einen Motor vom Keller her speiste. Ein leises Vibrieren kam von dort, das mit dem Pulse der Maschine auf einem großen Dampfer vergleichbar war.
    Durch

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