Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
Unternehmungslust auflöste, die eng mit der geplanten Arbeit zusammenhing.
»Gut,« sagte er aufatmend, »tun Sie mit mir, was Sie wollen; aber bedenken Sie, daß Sie eine große Verantwortung auf sich laden und daß wir hier in Deutschland leben, wo es Gesetze gegen Freiheitsberaubung gibt.«
»Ich habe alles bedacht«, meinte der Doktor gleichgültig. »Meine Berechnung wird stimmen. Sie werden sich nicht zu beklagen haben, doch wollen wir jetzt einmal sehen, wie wir am besten beginnen.«
Der eiserne Kopf
Er stand auf, und beide gingen aus dem Zimmer hinaus. Ein kleiner Gang nach dem Innenhof zu ward durchschritten, und was Harald zunächst zu sehen glaubte, war ein Treibhaus. Doch bei näherer Betrachtung, als sie angelangt, erwies sich dieses Treibhaus als eine mäßig erwärmte Halle, dem Patio eines spanischen Hauses nicht unähnlich, die von ganz bedeutender Größe und Höhe war.
Quadratische Glasplatten, die durch elektrische Klappvorrichtungen zu öffnen waren und durch deren grüne Decke der Himmel wie durch Wasser herabschimmerte, überdachten den Hof, der so geräumig war, daß der ganze kleine Hügel darin Platz fand.
»Ein hübsches Arrangement, wie?« meinte Dr. Sze und lächelte.
Er kletterte, die schwarzen, knisternden Ärmel wie Flügel schwingend, auf dem Hügel umher, einer tropischen Fledermaus ähnlich, einem Fliegenden Hund, der im Dämmerlicht beginnt, sich zu regen. Als er oben stand, konnte er das Glasdach gerade mit gestrecktem Flügel erreichen.
Er stelzte wieder herab und deutete auf Hacken und Schaufeln, die in einer Ecke aufgestapelt lagen.
»Wo tun wir die Erde hin?« meinte Harald.
Dr. Sze führte ihn um den Hügel herum, und hier öffnete sich vor ihnen ein Loch mit schiefem Eingang, wie ein Kellerfenster, durch das man Kohlen schüttet.
»Es ist Platz genug da unten für die Erde; außerdem schälen wir den Block nur heraus und brauchen nicht den ganzen Hügel abzutragen. Der Block sitzt nicht tief in der Erde, sondern die Steine haben ihn nicht eindringen lassen, so daß er gleichsam als Bekrönung auf einem eigenen Fundamente sitzt. Es wird einige Zeit dauern, bis wir dieses Monstrum, das Hunderte von Tonnen wiegt, ganz befreit haben; doch für einen so kräftigen Jungen wie Sie müßte es eine Leichtigkeit sein und eine Freude zugleich.«
Diese suggestiven Worte bewirkten, daß Haralds Knabenneugier die Oberhand gewann und er mit ehrlichem Interesse den Weisungen des Doktors folgte.
»Am besten, Sie befreien sich jetzt von Ihrem Gewand«, sagte der Doktor. »Ich werde dirigieren und Ihnen sagen, wo Sie die Sache anzupacken haben.«
Harald warf den schwarzen Kittel ab und ergriff eine Hacke, mit der er auf den Hügel zurückkehrte.
Die Treibhauswärme machte es ihm direkt zum Bedürfnis, nackt zu arbeiten. Er hieb mit aller Gewalt in die Stellen, die der gelbe Finger mit dem spitzen Nagel ihm wies, der brüchige Lehmboden kollerte in großen Brocken hernieder. Unablässig, unermüdlich schwang er die Hacke. Nicht einmal Schweiß trat auf seine blanke Haut. War das etwa den grünen Tropfen zu danken, die er zu sich genommen?
Er vergaß völlig der Zeit.
Der Himmel über dem grünen Glasdach dunkelte und nahm die Färbung der Tiefsee an. Gleichzeitig aber machte sich ein schon vorher phosphoreszierendes Licht bemerkbar, das an Intensität wuchs und das Glasdach wiederum erhellte, so daß wundervoll funkelnde Strahlenbrechungen darin entstanden.
Das Licht nahm seinen Ursprung offenbar von versteckten elektrischen Lampen. Das Funkeln wurde so stark, daß es die ganze ungeheure Halle mit Tageshelle erfüllte.
Was hatte es jetzt noch für einen Sinn, sich nach dem Stand des Zeigers umzutun? Uhren hatten hier ihren Sinn verloren, da es sich doch um Wochen handelte, die er hier zuzubringen hatte und Tag und Nacht ohne die Trennung von Hell und Dunkel verliefen.
Von dem Sturm draußen drang nicht das leiseste Wispern durch Mauern oder Glasplatten. Manchmal erzitterten diese ganz unmerklich; vielleicht war ein Ast darauf gestürzt. Sonst aber behielten sie das stille, intensive Glühen bei.
Unablässig klang die Hacke. Fortwährend schlug sie an Eisen mit klirrendem Ton, der an zerborstene Kirchenglocken gemahnte.
Stunden mochten verflossen sein, ehe Dr. Sze, der jede neue Entblößung des Meteoriten mit aufmerksamsten Augen verfolgte, die Hand hob und ihn anzuhalten bat.
»Es ist soweit«, sagte er. »Wir dürfen es nicht allzusehr beschleunigen, du mußt dich
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