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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Patent auf diese Entdeckung nach Kräften auszunützen. Der Grund, weshalb ich Sie hierhergebeten habe, ist der, daß Sie mir helfen möchten, den Klotz auszugraben und der Betrachtung zugänglich zu machen. Ich brauche eine junge Kraft dabei, obwohl ich selber ziemlich gut arbeite. Aber zu zweit geht es besser, das verstehen Sie wohl.«
    Haralds Mund hatte sich vor Erstaunen geöffnet. Er starrte seinen Gastgeber aus seinen blauen, unschuldigen Augen an und rief eifrig: »Natürlich helfe ich Ihnen! Welch ein Abenteuer! Und ich werde keinem Menschen etwas davon sagen, bis Ihre Schrift erschienen ist!«
    »Nein, Sie werden keinem Menschen etwas sagen«, meinte Dr. Sze und lächelte. »Aber ich möchte Sie bitten, bis das Werk vollendet ist, mein Gast zu sein.«
    Dieser Gedanke war neu für Harald. Er verfiel in Grübeln. »Ob das aber gut möglich ist?« fragte er bescheiden. »Sie wissen, meine Eltern haben noch keine Ahnung, daß ich hier bin, und eine Verständigung müßte erfolgen. Ich bin sicher, daß sie mir die Erlaubnis nicht verweigern werden.«
    Dr. Sze lächelte stereotyp, indem er leise sagte: »Sie werden niemanden verständigen.«
    Eine Stille folgte.
    Das Blut wich langsam aus Haralds Gesicht. Er ward sich plötzlich mit kurzem Schreck bewußt, daß er seinen Revolver in der Tasche gelassen hatte. Er sagte: »Wenn Sie wünschen, werde ich natürlich nichts von mir hören lassen, obwohl es grausam gegen meine Angehörigen ist.«
    Er stand auf.
    »Ich habe übrigens mein Taschentuch vergessen . . .«
    Dr. Sze bemerkte ruhig: »Greifen Sie in Ihren Ärmel.« Harald tat es und zog ein mächtiges Tuch von Rohseide hervor.
    »Die Sachen trocknen draußen. Ich habe sie versorgt.«
    Harald setzte sich ratlos wieder hin.
    »Sehen Sie,« fuhr der Unerschütterliche fort, »es hat gar keinen Zweck, meine Wünsche zu mißachten. Sie könnten gesehen werden. Man wird Sie ausfragen, die Sache wird ruchbar, ob Sie es wollen oder nicht. Und im Interesse der Wissenschaft . . .«
    »Das Interesse der Wissenschaft«, schrie Harald auf, der jetzt die Fassung verlor, »ist mir auch nicht so viel wert (und er knallte mit den Fingern), wenn es sich um die schwerste Angst meiner Eltern handelt, die so leicht beruhigt werden könnten.«
    »Ihnen nicht,« war die Antwort, »aber mir.«
    In diesem Moment verspürte Harald die größte Lust, in dieses glatte, lächelnde Gesicht mit der Faust hineinzuschlagen. Jetzt geht es Mann gegen Mann, schoß es ihm durch den Kopf. Mit plötzlicher Wucht und mit einem Sprung warf er sich auf den Chinesen.
    »Sie führen etwas im Schilde«, keuchte er dabei. Er entwickelte ungeahnte Kraft. Er packte den Gelben bei den Schultern und zwang ihn nach rückwärts auf den Boden.
    Dr. Sze hatte die Augen geschlossen und lag schier leblos dort. Sein Lächeln hatte etwas Ekstatisches. Harald glaubte ihn von einer Ohnmacht befangen und eilte in schnellen Sätzen auf den Vorhang los; da hörte er ein Gewisper hinter sich.
    »Es ist fruchtlos, mein Freund. Sie können nicht hinaus, und außer mir ist niemand da, der Ihnen öffnen könnte.«
    Dies erhöhte seine Verzweiflung. Er raste durch das Laboratorium, um seine Kleider zu suchen. Doch wie fieberhaft er auch suchte, es war vergebens. Gebrochen, mit wankenden Knien kehrte er endlich nach dem Zimmer zurück. Dort saß der Chinese wie früher und schluckte von der vierten Tasse Tee, mit der er sich soeben versorgt. Er machte eine grandiose Handbewegung und lud seinen Gast wieder zum Sitzen ein.
    »Es führt, wiederhole ich Ihnen, zu nichts, wenn Sie sich aufregen. Sie können sich übrigens beruhigen. Wir sind beide nur zwei Puppen in der Hand eines Schicksals, und die Berufung, die wir beide zu erfüllen haben, ist so ungeheuer wichtig, daß meine und Ihre kleinen Interessen dagegen gänzlich verblassen. Lassen Sie sich aufheitern!« Er zauberte irgendwo eine gestielte Flasche hervor, aus der er einen gelblichen Trank schenkte.
    »Ein wenig Reisbranntwein; und wenn Sie wollen, fügen Sie einige Tröpfchen aus diesem Fläschchen bei. Sie brauchen nicht zu besorgen, daß ich Sie vergiften will; ich habe Sie viel zu nötig.«
    Er maß zehn grüne Tröpfchen in Haralds Glas, das dieser zögernd in der Hand hielt.
    »Trinken Sie es hinunter«, sagte Dr. Sze. Harald tat es, und schier gleichzeitig kam eine große Gleichgültigkeit über ihn. Kaum hatte der Trank halbwegs seine Wirkung getan, als diese Gleichgültigkeit sich in eine wohlige

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