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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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wie ein böser Traum.
    Erstaunt blickte Harald auf: wie kam er hierher? Wo war er hier? – Nichts beunruhigte ihn mehr. Nur das wußte er, daß er ein Werk zu vollenden hatte, und dieses Werk erschien ihm nicht mehr schwierig. – Er blickte sich suchend um. »Soll ich weitergraben?«
    »Wenn du nicht müde bist, so tue es. Wir können uns Zeit lassen. Übrigens hast du so schnell gearbeitet, daß ich sehr zufrieden mit dir bin. Wenn du willst, kannst du dich jetzt damit beschäftigen, die Erde in den Schacht zu werfen. Ich denke, wir räumen sie regelmäßig zwischendurch hinaus, damit wir immer genug Platz haben.«
    Harald, ohne ein Wort zu sagen, warf die Hacke weg, ergriff eine der Schaufeln und machte sich an die Arbeit. Als er damit fertig war und sich umsah, hatte die Beschaffenheit des Lichtes in der Halle sich wieder geändert. Das Geflimmer hatte sich in ein breites, ruhiges Glänzen verwandelt. Das war Tag, war Sonnenlicht da oben.
    In Klarheit übertraf es das künstliche kaum, so daß man sich immer noch einbilden konnte, es sei Nacht. Doch der Übergang war so zart und unvermutet, daß die Tageszeit gänzlich an Bedeutung verlor . . .
    Harald versuchte wiederum nachzugrübeln, wie er hierhergekommen sei; jedoch standen nur wenige Dinge klar in seinem Gedächtnis; hoben sich beleuchtet darin ab inmitten einer Flut nun unerkennbar trüber und gänzlich verdunkelter Dinge. Er dachte an einen Spaziergang, an drei sich rätselhaft folgende Geschehnisse, die mit Blut verknüpft waren; er dachte an seine Begegnung mit dem Chinesen und an eine silberne Vision, die sich zutiefst in sein Hirn gebrannt. Er grübelte, wann und wo er all dieses erlebt. Nichts kam ihm zu Hilfe; und er gab es auf.
    Sein Leben schien von nun ab nur mit Erlebnissen verkettet, die auf diesen seltsamen Menschen dort Bezug hatten. Das andere, ach, das andere war so unendlich belanglos, daß das Hirn sich nicht einmal Mühe gab, es in greifbare Bilder umzuschaffen.

Weitere Überrumpelungen
    Der Asiate winkte ihm und führte ihn in einen Raum, in dem sich ein kleines Bassin befand.
    »Wasche dich jetzt und ruhe dich aus.«
    Als Harald in dem erwärmten Wasser lag, überfiel ihn ein unendliches Wohlgefühl, jedoch blieb sein Geist stetig dabei wach. Er schlief nicht wirklich, sondern es war das Gefühl des Entrücktseins, das er schon früher gekannt: – als schwebe er auf Luft, wie auf Daunenpolstern, in vollständiger Wunschlosigkeit. Dann, allmählich, meldete sich Hunger. Er begann, seine Umgebung zu betrachten, ihre raffinierte Einfachheit, ihren unaufdringlichen Luxus reizend und anheimelnd zu finden, und trocknete sich ab.
    Langsam legte er wieder den schwarzseidenen, hemdartigen Kittel an, in den sein Körper auf einmal mit Widerwillen schlüpfte. Die Seide, statt zu kühlen, beengte ihn; irgendwo schienen die glitzernden Metallfäden im dunklen Blumenprunk der Stickerei seine junge, von leichtem Atem bewegte Brust einzudämmen und die zarte Haut mählich zu erhitzen gleich blutziehendem Pflaster, – überall schien sich der Stoff anzusaugen, so an den Knien; und die Regung der Schenkel schien behindert, wie durch fremdartig-lähmende Wollust, so als suchten sie Spielraum unter enger Nesselkutte.
    Er versuchte, das Gewand wieder abzutun, doch seiner Hände, sobald sie die Hüfte berührten, bemächtigte sich Gleichmut und Schwäche; ja, jene Wollust mündete in den unbestimmten Wunsch von Selbstaufgabe, in fatalistischem Vernichtungswillen gegen sein eigenes, in köstlicher Jugend strotzendes Fleisch.
    Jetzt ertönte ein leiser Gongschlag, der ihn in ein entferntes Zimmer rief.
    Hier stand ein vollständiges, reichliches Mahl für ihn bereit. Nur fehlte ein Stuhl, und so ward es auf der Strohmatte, die den Boden bedeckte, von hübschen, fremdartig gezierten Tellern genossen. Dr. Sze zeigte eine befremdende Appetitlosigkeit. Er bediente sich zweier elfenbeinerner Stäbchen, mit denen er einige Reiskörner aufpickte und sie kurz vor dem Herabfallen auf äußerst geschickte Weise in den Mund schleuderte. Dazu trank er wieder seinen unvermeidlichen Tee. Er war mit seiner Mahlzeit schon längst fertig, als Harald sich noch mit dem ersten Gang beschäftigte. Als die Mahlzeit beendet war, warf er ein flaumleichtes Tuch über die Teller, und man zog sich in das ursprüngliche Empfangszimmer zurück, um bei dem Genuß einiger Zigaretten zu plaudern.
    Während Harald gegessen und einen schier rasenden Hunger befriedigt, hatte er kaum

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