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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Wort:
beauteous
. Es war inniger als nur:
beautiful
. Es bedeutete: »sonderlich schön«. Dann war es wieder das kranke Mädchen, das mich brauchte. Ich tastete nach ihrem Haar: Gottlob, es war feucht. Ein schwacher Trost. Ihre Brüste leuchteten aus dem Hemd wie Silber.
    Morgen früh, dachte ich noch, nach dem Frühstück, schenke ich dir das Puppenhaus. Dann wird alles gut. Ich zog den Hausmantel aus, hängte ihn so, daß die darauf gestickten Vögel in dem bunten östlichen Blumenprunk ihr sichtbar sein mußten, wenn sie erwache. Dann löschte ich die Lampe und legte mich nieder. Ich wollte einschlafen; ich wollte mich auf keinen Fall von jenen Stunden ertappen lassen, in denen so unkontrollierbare Lockerungen bestanden . . .
    Es war totenstill. Die Phosphorlichter dort am Ofen öffneten und schlossen sich im Wechsel. Moloch zwinkerte gegen den Schlaf an. Ein dünnes, rotes Rieseln war irgendwo auf dem Teppich; es knackte zart. Von der anderen Seite aus dem Bett kam das leise schnelle Zischen den kranken Atems, wie wenn ein weicher Nachtfalter gegen ein Netz antobt: »sss . . . sss«. Ich schwamm in den Schlaf hinüber und hatte nur eine einzige Traumvorstellung: ein schnurgerader Weg war's durch eine graue Wiese, und ganz fern gab es einen schwarzen Streifen von Wald.
    – – – Nach Wochen und Wochen Wanderns gelangte ich zu jenem Wald, in den der Weg sich hineinbohrte. Schon geraume Zeit schritt ich zwischen Mauern verfilzter Tannen und Kiefern dahin. Kein Vogel sang, keine Quelle rauschte. Ganz am Horizont erblickte ich ein Haus. Plötzlich wußte ich mit untrüglicher Sicherheit: in diesem Haus war Marlies, und es ging ihr schlecht.
    Ich gelangte hin und befand mich in einem leeren Saal. Überall herrschte dies vermaledeite tote, schwefelgraue Licht. Und hinten in der Ecke. weiß schimmernd, hockte sie. Ungeheures Mitleid packte mich. Mit einem halb schluchzenden Freudenschrei rannte sie quer durch die Halle auf mich zu. Ich breitete die Arme aus. Da, als sie kurz vor mir stand, verwandelte sie sich in ein Tier . Und dies wollte mich anspringen. Wie ein Blitz streifte mich der Sinn des Wortes »Besessenheit«. Das Mitleid steigerte sich zum Grauen und würgte an mir. Ich fuhr empor.
    Noch sah ich den flehenden Ausdruck des Gesichtes vor mir verdämmern. Dann wurde mir klar, daß ich ins halbhelle Zimmer blickte. Die tote Frühe, die ich vermeiden wollte, nistete bleigrau in den Fenstern. Langsam wanderten meine Augen zu dem weißschimmernden Bett hinüber. Da ging etwas vor sich, was war das? Da rührte sich etwas; doch es war nicht Marlies . . . Mir wurde kalt. Nun, nun, sagte ich mir dann; das ist ja Moloch! Es ist ja der schwarze Kopf! Es ist alles in Ordnung. Er hat sich anschmiegen wollen; natürlich geht er zu Marlies und macht es sich bei ihr bequem. Warum aber schläft er nicht? Er muß eben erst zum Bett gegangen sein und dreht sich nun noch zehnmal um sich selbst, wie es die Art verwöhnter Tiere ist . . .
    Wiewohl ich mich so beruhigte, hielt ich's nicht aus. Ich ging hinüber und jagte ihn vom Bett. Es fiel mir auf, daß er leise fauchte. Ja, mein Bursche, da hilft nichts, Patienten müssen in Ruhe gelassen werden. – Sie lag, die Hände im Nacken gekreuzt, halb aufgedeckt und atmete stoßweise. Ich deckte sie zu; ich nahm ihr sanft die Arme herab und drehte ihren Leib nach der Tapete. Ihr Atem wurde müde und ruhig. Vor dem Fenster erwachte wirres Schilpen von Spatzen: der Tag war da.

Die Ewige Teegesellschaft
    Ich hatte einen Augenblick abgepaßt, als die Sonne des letzten launischen Novembers eine halbe Stunde lang ins Zimmer schien: da stellte ich das Puppenhaus ohne die Fassade aufs Bett. Wenn sie erwachte, konnte sie es nicht umwerfen; es stand auf einem drehbaren kleinen Tischchen. Ich freute mich, daß die Sonne schien und Marlies darüber hinaus Gelegenheit hatte, in ein Stück tiefblauen Herbsthimmels hineinzuspähen. Die ganze Nacht wurde zur Schimäre. Ihre Geschehnisse wurden lächerliche Bagatellen. Vom Schrecken dieser Nacht blieb nichts weiter übrig als die Erinnerung an einen ausgepumpten Gummimann, der drohend das Zimmer gefüllt; nun hatte er die Luft verloren, und seine Hülle hing faltig geschrumpft, belanglos über den Stuhllehnen . . . Dieses bißchen Sonne von draußen war ihm spinnefeind.
    Um elf Uhr traf die kleine Jungfrau Anstalten aufzuwachen, und ich ging schnell in die Küche, um den warmgehaltenen Kaffee zu holen. Da hörte ich einen holden

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