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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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gelangen.«
    Philippa spähte neugierig unter der Plane hervor. Sie erkannte eine Fallbrücke. Ein breiter Wassergraben trennte das Tor, durch das sie gefahren waren, mit dem mächtigen Fallgitter von dem runden Wehr. Sie gelangten durch eine schmale, schlecht gepflasterte Straße, in der vermutlich Filzer und Hutmacher ihrem Gewerbe nachgingen. Einige Lehrbuben saßen noch auf der Gasse und kämmten scheckige Wolle aus, während ihre Meister bereits die Tische abräumten und das Werkzeug in die Häuser trugen.
    Eine Glocke begann mit dem Abendgeläut, in das bald darauf ein Dutzend weiterer Glocken am anderen Ende der Stadt miteinstimmte. Das Geläut begleitete Philippa und Bernardi bis zu einem hohen Fachwerkhaus mit roten Fensterläden, hinter dem sich ein kleiner, ummauerter Kirchhof erstreckte. Vor der Pforte, welche über drei Stufen zu erreichen war, schaukelte an einem ins Mauerwerk getriebenen Eisenhaken eine brennende Laterne.
    Fragend blickte sich Philippa nach ihrem Begleiter um, doch Bernardi hob lediglich die Schultern und tätschelte seinem Pferd beruhigend den Nacken. Philippa atmete tief aus, zog die Kapuze vom Kopf und schlug dreimal kräftig mit der Faust gegen die Tür des Pfarrhauses.
    ***
    Wibrandis Capito, die Frau des Pfarrherrn von Jung-St. Peter, war eine ebenso tatkräftige wie warmherzige Frau, soviel ließ sich schon auf den ersten Blick erkennen. Sie empfing die unerwarteten Gäste in einem schmucklosen Hauskleid, das von oben bis unten mit Mehl bestäubt war. An ihren Händen klebten Teigreste. »Bitte, entschuldigt meinen Aufzug«, seufzte sie und versuchte, sich die Finger an ihrer Schürze sauberzuwischen. »Ich habe meine Magd zu Bett geschickt, weil sie den ganzen Tag fieberte. So mußte ich das Brotbacken heute wohl oder übel selbst übernehmen!«
    Philippa schlug verständnisvoll die Augen nieder. Der rundlichen, kleinen Frau war trotz ihrer Verlegenheit durchaus anzusehen, daß die Aufgaben der Dienstmagd ihr großes Vergnügen bereitet hatten. Ihre flinken Hände verrieten, daß sie ähnlich wie die Lutherin schwerer Arbeit nicht aus dem Weg ging, und obgleich das Straßburger Pfarrhaus kein bewirtschaftetes Gut war, wie der Hof des Schwarzen Klosters, war leicht zu erahnen, daß ihr Haushalt die Pfarrersfrau von früh bis spät auf den Beinen hielt.
    Als Wibrandis hörte, daß die junge Frau in dem staubigen Reisemantel die Nichte ihrer Wittenberger Freundin Katharina Lutherin war, begannen ihre Augen zu leuchten. Munter plappernd führte sie die Ankömmlinge durch eine Diele in einen behaglich eingerichteten Raum, in dem vor einem lodernden Kaminfeuer eine Runde älterer Herren beim Bier zusammensaß. Die Männer trugen feierliche schwarze Schauben mit Pelzbesätzen, goldene Ketten und gestärkte Rundkrägen. Neugierig blickten sie die Eintretenden an. Einige erhoben sich zögerlich von ihren Stühlen. Wibrandis steuerte indessen ohne Umschweife auf einen etwa fünfzig Jahre alten, bärtigen Mann zu und berührte ihn zärtlich an der Schulter. »Wolfgang, wir haben späte Gäste, über die du dich sehr freuen wirst. Die Jungfer ist Doktor Luthers Nichte, aus Katharinas Familie. Ihr Reisebegleiter heißt Bernardi, Magister der alten Sprachen aus Wittenberg!«
    Der Pfarrherr stand nun ebenfalls auf und lud Philippa mit einer knappen Geste ein, ins Licht der Lampe zu treten. Er war ein großer Mann, der seine Frau um Haupteslänge überragte; im Gegensatz zu ihr wirkte er jedoch abgespannt und zerfahren. Seine grauen Augen glommen im Schein der Kerzen melancholisch. Als sein Blick Bernardi streifte, zwinkerte er irritiert. Vermutlich wußte er den fremden Mann an Philippas Seite, der offensichtlich nicht mit ihr verwandt oder verheiratet war, nicht sogleich einzuordnen.
    »Wir haben erst vor wenigen Tagen durch einen Boten von der Krankheit Eures Onkels erfahren, Jungfer«, sagte Capito schließlich mit schleppender Stimme, während Wibrandis ihren Gästen die Becher mit heißem Würzwein füllte. »Wie Ihr Euch denken könnt, sind wir dankbar für alle Nachrichten, die den Schmalkaldischen Bund betreffen!«
    »Euer Bote hat Euch gewiß berichtet, daß die Bekenntnisformel unseres evangelischen Glaubens nach langem Zaudern von achtzehn Fürsten und achtundzwanzig Reichsstädten unterzeichnet wurde«, antwortete Bernardi höflich. »Zuletzt stimmten selbst Melanchthon und Seine Gnaden, der Landgraf von Hessen, Doktor Luthers Vorlagen zu!«
    Capito schürzte die Lippen.

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