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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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war es ihr überhaupt noch, etwas Eigenes zu besitzen?
    Sorgenvoll blickte sie sich in ihrer Kammer um. Roswitha hatte unlängst für neue Bettvorhänge, einen Teppich und einen bequemen Lehnstuhl gesorgt. Vermutlich glaubte sie, er müßte Philippa gefallen, weil sie selbst sich seit Jahren einen ähnlichen Stuhl wünschte, um sich nach getaner Arbeit vor dem prasselnden Feuer darin auszustrecken und die schmerzenden Gelenke für einige Stunden zu vergessen. Wenn jemand einen Sessel verdient, so ist es Roswitha, dachte Philippa und nahm sich vor, das ausladende Möbelstück gleich am nächsten Morgen in die Kammer bringen zu lassen, die ihre Amme sich noch immer mit Muhme Lene teilte.
    Am nächsten Morgen traf sie in den Stallungen auf die Freihöferin. Philippa hatte soeben die Glocke geläutet und wollte nun Valentin ausrichten, daß sie bis Mittag in der Schulstube zubringen würde, um Rechenaufgaben zu korrigieren. Als die Frau sie erkannte, trat sie verlegen einen Schritt zurück in den Schatten.
    »Ich wollte Euch schon lange einmal aufsuchen«, begann Philippa ein Gespräch, ohne auf die sonderbare Verlegenheit der Frau einzugehen. »Schließlich habe ich Euch noch gar nicht für Eure Hilfe gedankt!«
    »Gedankt? Ihr wart mir doch nichts schuldig, Schulmeisterin!« Magdalena Schönbeck schaute sie gleichmütig an. Wieder trug sie zwei Kannen mit frischer Milch in beiden Händen. Ein Knecht mußte sie ihr nach dem Melken gefüllt haben. In ihrer Schürze steckte ein zusammengeschnürtes Bündel Hafer.
    »Da bin ich aber anderer Ansicht.« Philippa lächelte. »Wie ich hörte, habt Ihr und Freund Schuhbrügg meine Tante benachrichtigt, als der Eidgraf neulich im Hof war und mich aus dem Haus zerrte.«
    »Ach das …« Die Freihöferin winkte ab, wobei die Milch über den Rand der Kanne schwappte. »Ich hoffe, dieser schreckliche Kerl ist Euch nicht zu nahe getreten! Wäre kein Schaden für uns Frauen, wenn sich der Hesse endlich davonmachte. Sein Weib, diese Französin, kann einem wirklich leid tun!«
    »In der Tat«, pflichtete Philippa bei. Sie begleitete die Verwalterin aus den Stallungen. Am Tor zur Schloßstraße blieb die Freihöferin plötzlich stehen und blickte Philippa mißtrauisch an. »Euer Knecht sagte mir, daß die Lutherin Euch die Wirtschaft anvertraut hat, bis sie und der Doktor aus Altenburg zurück sind?«
    Philippa nickte. Sie spürte, daß die Freihöferin etwas auf dem Herzen hatte und sich schwer tat, es auszusprechen.
    »Nun, Ihr braucht nicht zu denken, daß ich die Milch und den Hafer ohne Erlaubnis vom Klosterhof hole. Für den Freihof wurden jedoch noch keine Milchkühe angeschafft. Die kommen vermutlich erst im Sommer, und …«
    »Ihr braucht Euch vor mir nicht zu rechtfertigen«, fiel Philippa ihr ins Wort. »Ganz im Gegenteil, Eure Sorgfalt ehrt Euch, Freihöferin. Nehmt Euch alles, was Ihr braucht. Meiner Tante wird's schon recht sein.«
    Erleichtert lief Magdalena auf die Gasse hinaus und eilte mit großen Schritten dem Marktplatz zu. Philippa sah der Frau kopfschüttelnd nach und verriegelte dann das Tor hinter ihr. Als sie den Bolzen einschlug, spürte sie, daß jemand hinter ihr stand. Erschrocken wandte sie sich um.
    »Die Lutherin wird sehr zufrieden sein, wenn sie erfährt, wie sehr Ihr Euch für das Schwarze Kloster ins Zeug legt!« Vor ihr stand Meister Lupian und lächelte sie an. »Leider muß ich Euch bitten, das Tor noch einmal zu öffnen. Seine Hoheit, der Kurfürst, wünscht mich zu sprechen!«
    Philippa fand keine Zeit, um über Magdalenas sonderbares Verhalten nachzudenken. Als sie das Haus betrat und die Treppe zum Schultrakt nehmen wollte, kam ihr Roswitha entgegen. Eine Magd folgte ihr händeringend. Ihr weißer Leinenkittel und ebenso ihre Hände waren blutverschmiert. Philippa blieb beinahe das Herz stehen. Nur mit Mühe schaffte sie es, die beiden aufgeregten Frauen zu beruhigen. Erst nach einer Weile gelang es ihr, Roswithas Gestammel zu entnehmen, daß in der Küche etwas geschehen sein mußte. Philippa stieß die Tür auf – und hielt den Atem an. Der ganze Dielenboden der Küche war mit Blut besudelt, ebenso die Steinplatten des Refektoriums. Vom Rahmen der Tür, welche den Raum mit den angrenzenden Kammern verband, rann eine Blutspur. Selbst die Möbel, Tische, Schemel und Wandborde waren mit Blut beschmiert.
    »Wer kann das getan haben?« stöhnte die alte Amme und schüttelte sich vor Ekel.
    »Die Schweinehälfte ist verschwunden, Herrin!« Die

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