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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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der bekehrten kaiserlichen Heere nach Rom ziehen, um im Palast des Papstes die siebente Schale des Zorns ins Feuer zu gießen!« Er machte eine abwehrende Geste. »Und nun möchte ich Euch bitten, mir weitere Erinnerungen zu ersparen. Ich habe meinem früheren Leben entsagt, auch wenn mein Herz nicht anders schlägt als damals in Münster. Ob unsere Lehre falsch war oder nicht, wird dereinst eine höhere Macht entscheiden. Die dort draußen«, er machte eine schwache Kopfbewegung zum Richtplatz hin, »werden daran nichts ändern.«
    ***
    »Damit dürfte wohl klar sein, wer Eure Lepperin ermordet hat«, sagte Bernardi, als er und Philippa das Haus am Barfüßerplatz verlassen hatten und sich durch das Durcheinander von Marktschreiern, Kaufleuten und Stadtsoldaten kämpften. »Rottmann muß unmittelbar nach der Eroberung Münsters in Wittenberg aufgetaucht sein. Dort traf er auf die Lepperin und versuchte noch einmal, sie für seine unseligen Zwecke zu gewinnen. Als sie sich ihm widersetzte, lockte er sie vor das Elstertor und brachte sie zum Schweigen. Ich …« Er stockte.
    »Ja?«
    »Nun, ich bin nach wie vor der Ansicht, daß Wolfger von Hoechterstedt ein falsches Spiel mit uns treibt. Ihr habt den alten Ulrich doch reden hören. Nicht nur die Landsknechte des Waldeckers, auch Braunschweiger und Hessen zogen gegen die Wiedertäufer zu Felde. Wolfger steht noch immer im Dienste des Landgrafen. Wenn er bei der Einnahme Münsters zugegen war, könnte er unser Mann sein!«
    Schweigend gingen sie weiter, bis sie den hohen Turm des Münsters vor sich aufragen sahen. Auf dem rechteckigen Platz herrschte ein munteres Treiben. Gaukler jonglierten vor einer staunenden Menge mit farbenfrohen Holzkegeln. Auf einer Bühne tanzte ein Mann im Bärenfell und gab vor, eine Jungfrau zu entführen. Zwischen den Buden und Marktständen der Krämer drängten sich die Menschen. Einige Frauen standen in einer Schlange vor dem großen Ziehbrunnen und beobachteten, wie eine junge Frau die Finger ihres Kindes in einem Wasserstrahl reinigte.
    Als Philippa das Westportal der Kathedrale erreichte, legte Bernardi ihr plötzlich seine Hand auf den Arm und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf eine Gruppe in Stein gemeißelter Figuren, die einen Mann mit verschlagenem Grinsen und drei Frauen darstellte. Die Figuren thronten erhaben auf einem Sockel seitlich des Tympanons.
    »Schaut ihn Euch an, Philippa«, sagte Bernardi und deutete auf eine der Figuren. »Man nennt ihn den Verführer. Die drei törichten Jungfrauen hören auf seine Worte, die ihnen süß wie Honig in den Ohren klingen, und wissen nicht, daß sie sich auf ihren Untergang zubewegen!«
    Philippa biß sich verärgert auf die Lippen. Das Lärmen der Gaukler brandete in ihren Ohren auf. »Maria Lepper war keine törichte Jungfrau, Bernardi. Sie war eine Ausgestoßene, die das Unglück hatte, erst in dem Augenblick Freunde zu finden, als es bereits zu spät für sie war. Wenn Ihr jedoch mich töricht nennen mögt, tut es!«
    »Das habe ich nicht gesagt«, verteidigte sich der Magister. »Ich denke nur, daß es besser wäre, wenn Ihr von Eurer Fährte ablaßt. Wir wissen doch nun, wer hinter den Vorgängen in Wittenberg steckt. Ihr könntet einen Boten zu Eurem Onkel schicken und ihn bitten, die Angelegenheit zu untersuchen. Er und der Kurfürst werden schon Mittel und Wege finden, diesen Rottmann zu entlarven.«
    Philippa schüttelte traurig den Kopf. »Selbst wenn dies möglich wäre, so habe ich mit Eidgraf Wolfger einen Vertrag geschlossen, dem ich mich nicht entziehen kann. Vergeßt nicht, daß er Euch aus Sachsen entfliehen ließ.«
    Bernardi starrte sie wütend an. Einen Herzschlag lang schienen ihm die Worte im Halse steckenzubleiben, doch dann schimpfte er los: »Und dafür seid Ihr diesem hochmütigen Kerl zu ewigem Dank verpflichtet? Habt Ihr vergessen, wie sehr Ihr ihn verabscheutet, als er Euch gegen Euren Willen ins Schloß entführte?«
    »Bernardi, mäßigt Euch!«
    »Was werdet Ihr als nächstes für ihn tun, nur um Eurem Bruder und seiner Frau diesen verwahrlosten Weiler wieder abzujagen? Macht, was Ihr wollt, Philippa, aber glaubt nicht, ich würde mit Euch nach Wittenberg zurückkehren, um mit anzusehen, wie Ihr …«
    Er beendete seinen Satz nicht. Statt dessen drehte er sich unvermittelt um und eilte quer über den Münsterplatz.
    Philippa fühlte sich wie gelähmt. Unfähig, einen Fuß vor den anderen zu setzen, ließ sie sich auf die eiskalten Stufen des

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