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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Kirchenportals sinken. Eine Weile saß sie so da, dachte an den steinernen Verführer, wie er hämisch vor sich hin grinste, und betrachtete das Spiel der Gaukler, die begonnen hatten, zwischen den rotierenden Speichen eines Wagenrades zu tanzen und den Mädchen in der Menge vielfarbige Bänder zuzuwerfen. Was Bernardi gesagt hatte, klang so schrecklich vernünftig. Möglicherweise hatte er recht, und sie zerstörte mit dieser sinnlosen Jagd ihre Zukunft. In der Tat konnte sie den Straßburger Reformator bitten, ein Schreiben an Luther und ihre Tante aufzusetzen, um sie vor den Ränkespielen eines aus Münster geflohenen Wiedertäuferpredigers zu warnen. Mit ein wenig Glück und viel Diplomatie würden ihre Verwandten ihren Erklärungen Glauben schenken und die Anschuldigungen gegen Bernardi widerrufen lassen. Ihr selbst blieb die Möglichkeit, sich in Straßburg niederzulassen. Wen kümmerten Wolfgers Nachstellungen in einer Stadt, die über einen starken Magistrat und eine selbstbewußte Bürgerschaft verfügte? Straßburg war eine lebendige Stadt, in der Humanisten und Künstler ebenso zu Hause waren wie Gaukler und Tänzer. Wibrandis hatte sie freundlich empfangen. Sie würde der Nichte ihrer Freundin aus Wittenberg gewiß unter die Arme greifen, wenn sie sich dafür entschied, hier zu bleiben.
    Als Philippa sich Stunden später erhob, zitternd vor Kälte, die durch ihren Mantel gekrochen war, wußte sie, daß keines ihrer Argumente, so verlockend sie auch klangen, von ihrem Verstand bis zu ihrem Herzen vorgedrungen war. Sie durfte nicht wie ein Schemen aus dem Leben ihrer Tante und den übrigen Wittenbergern verschwinden. Sie durfte ihr Wort nicht brechen. Im Gegenteil: Nun mußte sie sogar auf schnellstem Wege nach Kursachsen zurückkehren.

22. Kapitel
    Im Pfarrhaus von Jung-St. Peter erwartete Philippa eine Überraschung. Capito und Wibrandis standen mit Bernardi und einem hochgewachsenen, älteren Mann im Flur und unterhielten sich angeregt. Der Fremde überreichte dem Hausherrn einen versiegelten Brief und bedankte sich, als Capito ihn ohne große Worte in sein Wams steckte, mit herzlichen Worten. Philippa verharrte. Sie war sich sicher, das asketische Gesicht mit den grauen Augen schon einmal gesehen zu haben.
    »Jungfer von Bora, wir haben Euch bereits vermißt«, rief Wibrandis fröhlich und winkte sie herbei. »Es war nicht recht von dem Magister, Euch ohne Begleitung durch Straßburg irren zu lassen. Aber glaubt mir, ich habe dem jungen Herrn bereits den Kopf zurechtgerückt!« Sie lachte wie über einen gelungenen Scherz. Der Fremde drehte sich um und lächelte Philippa freundlich an. Er war teuer gekleidet. Sein samtener Mantel reichte bis zu den Stiefeln aus poliertem Hirschleder und trug goldene Knöpfe. An der linken Brustseite war ein Ring aus gelbem Stoff aufgenäht.
    »Ihr seid also die Nichte der Katharina Lutherin«, sprach der hochgewachsene Mann sie mit bedächtigem Tonfall an. »Freund Capito hat mir viel von Euch erzählt, wenngleich ich ihm gestehen muß, daß heute abend nicht unsere erste Begegnung ist!«
    Philippa nickte und reichte dem Mann die Hand, den sie nun endlich wiedererkannte. »Das ist richtig, Herr Josel von Rosheim. Ich sah Euch damals im Schloßhof seiner Durchlaucht in Wittenberg. Ihr bewarbt Euch um eine Audienz bei Kurfürst Johann Friedrich …«
    »Ein Privileg, das Vetter Josel unglücklicherweise niemals gewährt wurde!« Bernardi machte eine müde Gebärde. »Im Gegenteil, hätte mein Vetter nicht so rasch die Stadt verlassen, wäre auch er der Mordtat bei der Kreuzkapelle verdächtigt worden.«
    »Euer … Vetter?«
    Josel von Rosheim blickte freundlich von Bernardi zu der jungen Frau, die bleich geworden war und augenscheinlich um Haltung rang. Sofort kam Wibrandis ihr zu Hilfe und drückte sie, ohne auf Proteste zu achten, auf einen Stuhl mit hoher Lehne, der unter dem Kruzifix stand und bereits ein wenig wackelig wirkte.
    »Verzeiht mir, Jungfer«, sagte der grauhaarige Jude. »Bernardi hat die Wahrheit gesprochen. Wir sind Verwandte, die unterschiedliche Wege gewählt haben, um die Erfüllung ihres Lebenssinns zu finden. Er wählte die Taufe, weil die Schriften Eures Onkels und seiner Anhänger ihn in seiner jugendlichen Seele berührten, während ich selbst ein Wanderer zwischen den Welten geblieben bin. Den Bund meiner Väter kann und will ich nicht aufgeben, aber ich versuche diejenigen zu verstehen, die es tun. Meine Brüder vertrauen mir. Sie haben

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