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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Armenviertel an der Kupfermauer umzuziehen oder die Stadt zu verlassen.«
    »Der Torwächter erwähnte doch einen Gemeinen Kasten«, entgegnete Philippa leise. Die scharfe Stimme des Predigers schüchterte sie ein wenig ein. »Ich kann mir kaum vorstellen, daß mein Onkel sich nicht um die Armenfürsorge in der Stadt kümmert.«
    »Das tut er gewiß. Auch Eure Tante, die edle Frau Katharina, hat ein großes Herz und ist überaus eifrig, wenn es gilt, Spenden für die Armen zu sammeln und die Kaufmannsgilde an ihre Christenpflicht zu erinnern. Aber die Stadt lebt nun einmal hauptsächlich von der Universität und einer Handvoll Wohlhabender wie dem alten Hofmaler Lucas Cranach oder der Familie des Gewandschneiders Krapp. Die Universität verfügt über Macht, Besitz und eine eigene Gerichtsbarkeit. Aber dies ist nicht alles: Die Angehörigen der Universität erfreuen sich von jeher fest verbriefter Steuerprivilegien. Auf der anderen Seite benötigen sowohl seine Durchlaucht der Kurfürst als auch die Stadtväter Unsummen für ihre Bauten und für die Hofhaltung der Residenz.«
    »Und wieder einmal werden die kleinen Leute gerupft«, brummte Roswitha, die der Unterhaltung nur mit einem Ohr zugehört hatte.
    Die Dunkelheit hatte sich inzwischen wie ein seidener Schleier über die Straße gelegt, und der frostige Wind rüttelte unerbittlich an der Plane, doch die beiden Pferde des Predigers schienen ihren Weg im Schlaf zu kennen. Philippa musterte argwöhnisch den Prediger neben ihr auf dem Bock. Irgend etwas Sonderbares, Fremdartiges ging von ihm aus. Lag es an seinen schwarzen Augen, an den wilden, vom Sturmwind zerzausten Locken unter dem samtenen Barett oder an der Weise, wie er seine Worte formte? Philippa blieb keine Zeit, darüber nachzugrübeln. Geistesabwesend hörte sie, wie Bernardi etwas sagte und Roswitha erleichtert in die Hände klatschte. Im nächsten Moment holperte der Wagen auf einen weitläufigen Innenhof. Philippa erblickte ein stattliches Gebäude mit zahlreichen Erkern mit bunten Bleiglasfenstern, gotischen Spitzbogentüren und einem hohen Uhrenturm, der sich stolz über die verwinkelten roten Giebeldächer des Anwesens erhob. An den meisten Fassaden lehnten Gerüste mit schmalen Stegen für die Zimmerleute, gleich denen, die Philippa bereits während der kurzen Fahrt durch das abendliche Wittenberg gesehen hatte. Demnach ließen also auch Onkel und Tante ihr Haus umbauen.
    Ein unangenehmes Frösteln kroch über ihren Rücken, als sie in die leeren Fensterhöhlen blickte, hinter denen nicht einmal der schwache Schein einer einzigen Kerze flackerte. Mit einem beruhigenden Laut brachte der Prediger die Pferde vor einer Zisterne zum Stehen. Vor ihnen lag das Portal des Schwarzen Klosters, die Wohnstatt von Philippas Wittenberger Verwandtschaft und damit ihr zukünftiges Heim.

7. Kapitel
    Während Felix Bernardi und Roswitha die Ziegenhaut zurückschlugen und den Wagen entluden, wanderte Philippa mit verschränkten Armen über den Hof.
    Hier also lebte ihr berühmter Onkel, der Mann, der es gewagt hatte, auf dem Reichstag zu Worms Kaiser und Reichsständen die Stirn zu bieten. Die winzigen Fensteröffnungen des Obergeschosses stammten gewiß noch aus der Zeit, da das Haus den Orden der Augustinermönche beherbergt hatte. In den stürmischen Jahren nach dem Thesenanschlag war das Kloster nach und nach von seinen Bewohnern verlassen worden. Nur Luther war geblieben. Er und …
    Ein von dornigen Sträuchern gesäumter Pfad führte zu einem Kräutergarten, an dessen westlicher Mauer sich zwei aus rotem Sandstein errichtete Häuschen schmiegten. Aus dem Innern des größeren Gebäudes fiel ein dünner Lichtschein auf den Hof. Außerdem waren Stimmen zu hören, weibliche Stimmen, die sich allem Anschein nach eine lebhafte Diskussion lieferten.
    Neugierig ging Philippa auf die nur angelehnte Tür des Häuschens zu. Ein bitterer Geruch von Hopfen und Gerste lag in der Luft. Vermutlich wurde in dem kleinen Steinhaus noch zu dieser späten Stunde Bier gebraut.
    »Es bleibt dabei, Maria«, hörte sie plötzlich eine energische Stimme rufen. »Wir brauchen dich von nun an im Haupthaus. Wer glaubst du, soll sich um die Gesandtschaft des Fürstenbundes kümmern, die morgen in Wittenberg eintrifft? Sieben Scholaren haben sich bereits als Kostgänger im Südflügel einquartiert, und mein Gatte lädt sich mit jedem Abend mehr Besucher an seine Tafel. Wer soll sich dabei noch um die Renovierung kümmern? Vom Brauhaus

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