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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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und warf zuweilen prüfende Blicke auf das emsige Treiben der Küchenmägde.
    »Tatsächlich?« Philippa rührte in der dampfenden Holzschüssel herum. Sie haßte Gerstenbrühe, weil das rauhe Getreide ihr für gewöhnlich in der Kehle steckenblieb, aber dies war nicht der Moment, um wählerisch zu sein. »Während unserer Reise hatte ich vielmehr den Eindruck, daß Bernardi sich Eurem Gatten verpflichtet fühlt.«
    »Dein Onkel hat vor ein paar fahren für den jungen Mann gebürgt, damit er an unserer Leucorea die Septem Artes Liberales studieren konnte. Bernardi brauchte einen Fürsprecher, weil seine Herkunft einige Fragen offenließ. Aber er war ein sehr fleißiger Student. Tag und Nacht brachte er in der Bibliothek zu und vergrub sich in seinen Büchern. Er war geradezu durchdrungen von Eifer und Ehrgeiz. Niemand wunderte sich, daß er wesentlich früher als seine Kommilitonen zum Magister Artium promoviert werden und mit seiner theologischen Ausbildung beginnen konnte.« Katharina schwieg einen Augenblick und beobachtete mit gerunzelter Stirn das Muster aus Gerste, mit welchem ihre Nichte den Rand ihres Tellers verzierte.
    »Und was geschah dann?« Philippa lächelte ihre Tante unschuldig an.
    »Einzelheiten sind mir keine bekannt. Doch eines Tages suchte Bernardi deinen Onkel und Philipp Melanchthon auf und teilte ihnen mit, daß er beabsichtige, Wittenberg und die Universität noch vor dem Abschluß seiner Studien zu verlassen. Wie du dir vorstellen kannst, waren wir entsetzt, entsetzt und erbost. Mein armer Luther brüllte so laut, daß ich Angst hatte, die Wände würden einstürzen. Ich glaube, er hatte den Jungen liebgewonnen wie einen eigenen Sohn und wollte ihn unbedingt in seiner Nähe halten. Sogar einen Lehrstuhl bot er ihm an, für Hebräisch, soviel ich weiß.«
    »Doch Bernardi lehnte ab.«
    »Ja, das tat er; dickköpfig und unbeherrscht, wie er ist«, bestätigte Katharina und fingerte an ihrem schmalen goldenen Trauring herum. »Die Anforderungen des Studiums können schwerlich der Grund für seine Abreise gewesen sein, schließlich war Bernardi von jeher ein heller Kopf. Angeblich beherrscht er die lateinische, griechische und hebräische Sprache besser als unser Freund Melanchthon.«
    »Dickköpfig, unbeherrscht und studiert Sprachen, die heute kein Mensch mehr spricht«, flüsterte Roswitha ihrem Ziehkind boshaft ins Ohr. »Vielleicht solltet Ihr Euch erkundigen, wo der Prediger abgestiegen ist!«
    Katharina Luther hob mißbilligend die Augenbrauen. Wie konnte ihre Nichte es zulassen, daß eine Dienerin in derart frivoler Weise das Wort an sie richtete. Gewiß gab es kaum geschwätzigere Menschen unter dem Himmel als Hausdiener, und gutmütigen Herren fiel es oftmals schwer, den Klatsch in ihren Gesindestuben einzudämmen, doch wohin sollte es führen, wenn eine Magd sich erdreistete, selbst in Gegenwart ihrer Herrin respektlose Reden zu führen? Mitleidig schaute sie ihre Nichte an, die geräuschvoll ihre Suppe vom Löffel schlürfte. Das Mädchen schien ja völlig verwildert zu sein. Und was hatten die zahlreichen Tintenflecke auf seinen Fingern zu bedeuten? Sie waren ihr bereits bei der Begrüßung im Hof aufgefallen. Schrieb Philippa etwa selber, anstatt zu diktieren, wie es ihrem Stand entsprach?
    Mein armer Bruder Nikolaus hätte nicht nur seinem Sohn eine höfische Erziehung zukommen lassen sollen, überlegte Katharina. Unwillkürlich wurde sie an ihre eigene Kindheit erinnert. Fünf Jahre alt war sie gewesen, als ihr Vater sie eines Tages im feuchten Morgennebel auf sein Pferd gehoben und zum Kloster der Benediktinerinnen von Brehna gebracht hatte. Sie hatte ihr Elternhaus nie wieder gesehen, und einige Jahre später in Grimma wie selbstverständlich den schwarzen Schleier genommen.
    Die Lutherin seufzte und spürte einen kurzen, stechenden Schmerz an ihrem Finger. Ohne es zu bemerken, hatte sie sich ihren goldenen Trauring über den Knöchel gezogen.
    Nach dem Essen führte sie die beiden Frauen durch einen von mehreren Stützbalken getragenen Saal, das ehemalige Refektorium der Klosterbrüder, bis sie ein Treppenhaus erreichten. Philippa legte ihren Kopf in den Nacken und blickte zur Galerie hinauf, die so hoch lag, daß das Echo ihrer Stimme von den weiß gekalkten Wänden widerhallte.
    »Deine Amme wird sich mit unserer Muhme Lene eine Kammer teilen müssen«, verkündete Philippas Tante geschäftig. »Aber keine Sorge, Nichte, ihr seid nur durch eine einzige Wand voneinander

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