Die Magistra
Schönbeck, vorstellen?« Bernardi reichte Philippa die Hand, um ihr die wackelige Stiege hinauf zu helfen. »Ich kenne Magdalena noch aus meiner Scholarenzeit. Da ihr eigene Kinder versagt blieben, war sie stets wie eine Mutter zu uns armen, ewig hungrigen Studenten.«
»Und schon damals hat mir der Junge jede Menge Sorgen gemacht«, bestätigte die Frau und lächelte.
Philippa gab einen mitfühlenden Seufzer von sich und nahm die Kapuze vom Kopf. »Das glaube ich gern. Davon hat man mir bereits im Schwarzen Kloster erzählt.«
»Einmal mußte ich ihn sogar aus dem Fluß ziehen. Die Scholaren hatten Bernardi aufgefordert, mit ihnen schwimmen zu gehen, aber er weigerte sich. Er wollte einfach nicht seine Kleider ablegen. Da lachten sie ihn aus und stießen ihn ins Wasser.«
»Für so schüchtern hätte ich Euch nicht gehalten, Magister Bernardi«, sagte Philippa und betrachtete ihn mit einem koketten Augenaufschlag.
Das Innere des Holzhauses bestand aus zwei rechteckigen Stuben, die durch einen schweren Damastvorhang voneinander getrennt wurden. In einer Ecke des größeren der beiden Räume befand sich eine Esse. Über ihr drängten sich auf drei Regalen Krüge, Schüsseln und blau bemalte Töpfe. Mochte die Einrichtung auf den ersten Blick auch ärmlich wirken, so stand doch außer Frage, daß Magdalena Schönbeck auf Ordnung und Sauberkeit bedacht war. Davon zeugten nicht zuletzt die Überreste des feinsten Scheuersandes, der bei jedem von Philippas Schritten unter ihren Fußsohlen knirschte.
Auf einer mit bunten Kissen gepolsterten Bank nahe dem Feuer saß das junge, rothaarige Mädchen, das der eigentliche Grund für ihren Besuch war, und schnürte einige Habseligkeiten in ein Tuch aus grober, gelbgefärbter Wolle. Als sie Philippa bemerkte, ließ sie ihr Bündel unter die Bank gleiten und stand auf.
»Wir haben uns schon einmal gesehen«, sagte Philippa zögerlich. »Im Hof des Schwarzen Klosters, nicht wahr?«
Die junge Magd versuchte ein Lächeln, das ihre großen, hellen Augen jedoch nicht erreichte. »Ich dachte mir schon, daß die Herrin nicht auf mich würde verzichten können. Nicht in dieser Woche.«
Philippa erwiderte ihr Lächeln und trat langsam zum Feuer der Herdstelle, um sich die klammen Finger zu wärmen. Die Freihöferin machte sich derweil an einem Wandschrank zu schaffen, der neben der Tür hing, sagte aber kein Wort. Auch Bernardi schwieg. Für ein paar Momente war das Prasseln des Feuers das einzige Geräusch in der engen Kammer. Philippa fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut und wünschte sich, den Botengang niemals angetreten zu haben. Was glaubten diese Leute eigentlich, wer sie war? Ein Büttel mit dem Auftrag, eine Beschuldigte in den Stadtturm zu werfen? Nach geltendem Recht stand es einer jeden Dienstmagd frei, ihre Knechtschaft aufzukündigen und sich woanders nach Lohn und Brot umzusehen, wann immer sie dies wollte.
»Ich bin nicht gekommen, um dich gegen deinen Willen mitzunehmen«, erklärte Philippa. Sie bemühte sich, dem spöttischen Blick Bernardis auszuweichen, der noch immer mit verschränkten Armen unter dem Türsturz stand. »Im Gegenteil, Maria. So heißt du doch, nicht wahr? Wenn du dich vor etwas oder jemandem im Haus meines Onkels fürchtest, würde ich mich freuen, wenn du dich mir anvertrauen könntest. Vielleicht kann ich dir helfen.«
»Aus diesem Mädchen soll einer schlau werden«, hörte sie auf einmal Bernardi sagen. Verwundert drehte sie den Kopf in seine Richtung und fragte sich, ob er die Magd oder sie selber meinte.
»Sie sitzt den lieben langen Tag im Haus und geht trüben Gedanken nach. Aber fragt man sie, was sie sorgt, erntet man nur ein Schulterzucken.«
»Laß das Kind in Frieden«, zischte Magdalena ihn wütend an. »Was verstehst du schon von den Seelennöten einer Frau? Hier auf dem Freihof gibt es Arbeit für zehn Mägde. Ich hätte Maria dringend gebraucht, um die Fischweiher zu reinigen und die Netze zu flicken, aber daran scheint die edle Dame in der Stadt nicht zu denken. Dabei ist sie es doch, die in der Umgebung von Wittenberg ein Gut nach dem anderen aufkauft!«
»Magdalena …« Bernardi hob warnend die Augenbrauen. »Einer Verwalterin steht es kaum zu, die Entscheidungen ihrer Herrin in Frage zu stellen.«
Philippa fühlte sich plötzlich als Eindringling. Die Diskussion, die sie losgetreten hatte, behagte ihr überhaupt nicht.
»Es tut mir leid, Jungfer von Bora, aber das ist nun mal meine Meinung!« Magdalenas Stimme
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