Die Magistra
klang plötzlich kühl und distanziert. »Wenn Ihr sie also Eurer Tante kundtun wollt, kann ich Euch kaum daran hindern.«
»Eure Angelegenheiten gehen mich nichts an«, erwiderte Philippa. »Mein Onkel hat mir die Aufsicht über die Mädchenschule übertragen, nicht über die Landwirtschaft seiner Gemahlin. Doch ich empfehle Euch, nach dem Fürstentreffen mit meiner Tante über die Probleme des Hofes zu reden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie Euch abweist. Seid Ihr nicht derselben Ansicht, Magister Bernardi?«
Der Magister lächelte spöttisch, zog es aber vor, nicht zu antworten. Dafür bot er Philippa mit einer unerwartet galanten Geste seinen Arm an, um sie auf den Hof zu begleiten. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie die Freihöferin Maria ein langes Tuch um den Kopf wand und ihr dabei etwas zuflüsterte. Offensichtlich hatte sich die Magd dafür entschieden, Philippa in die Stadt zu begleiten.
Sie folgten dem rutschigen Pfad hinab, der zur Umzäunung des Gehöfts führte. Maria folgte ihnen in respektvollem Abstand.
»Ihr wolltet doch wissen, warum ich nicht nach Lippendorf zurückgekehrt bin, nicht wahr?« fragte Bernardi unvermittelt. Er blieb stehen und ließ seine Blicke über die Fischweiher schweifen.
»Gewiß nicht, um in meiner oder Roswithas Nähe zu sein!«
»Ihr habt wirklich eine scharfe Zunge, Philippa«, spottete er. Im nächsten Moment wurde er jedoch ernst. Seine schwarzen Augen funkelten herausfordernd. »Ich war bereits nahe Zölsdorf, als ich auf einen befreundeten Dechanten traf. Der arme Kerl staunte nicht schlecht, mich zu sehen. Vermutlich glaubte er, wir seien unter die Räuber gefallen und ruhten unter einem Erdhügel im Wald.«
»Ich verstehe nicht ganz …« Ungeduldig trat Philippa von einem Fuß auf den anderen.
»Eure Verwandten haben längst herausgefunden, daß ich Euch nicht zu den Zölsdorfern gebracht habe. Ich schätze, diese Nachricht hat Eurem Bruder Sebastian nicht besonders gefallen. Mein Freund ist der Ansicht, es sei besser, wenn ich mich in Lippendorf nicht mehr sehen lasse.«
Philippa verzog den Mund und blickte hinauf zu den Baumwipfeln, die sich im Wind wiegten. Nicht für einen Augenblick hatte sie daran gedacht, daß den Prediger Unannehmlichkeiten erwarten könnten. Doch wie sollte sie sich dafür entschuldigen? Als sie zu einer Erklärung ansetzte, winkte Bernardi ab und bemerkte: »Ich hatte gute Gründe, mich eine Zeitlang in die Abgeschiedenheit einer Landgemeinde zurückzuziehen. Aber wie schon der alte Priester Kohelet sagte: Ein jeglich Ding hat seine Zeit.«
»Nun redet Ihr schon wieder daher wie ein Prediger, Bernardi«, beschwerte sich Philippa und blinzelte Maria zu, die das Gespräch mit schüchternem Blick verfolgt hatte.
»Und Ihr wißt zu maßregeln wie eine Schulmeisterin, meine Liebe«, entgegnete Bernardi. »Ich darf wohl annehmen, daß Eure künftigen Schülerinnen bei Euch nicht nur Psalmen singen und mit Äpfeln rechnen lernen werden?«
Philippa nickte, ging aber nicht weiter auf seine spöttische Bemerkung ein, statt dessen fragte sie: »Und was werdet Ihr nun anfangen, Bernardi? Bleibt Ihr als Prediger in Wittenberg? Mein Onkel hat sich übrigens eingehend nach Euch erkundigt.«
»Man hat es mir berichtet!« Plötzlich wurde er einsilbig.
Philippa verwünschte ihre vorlaute Zunge. Hatte ihre Tante nicht eindrücklich von den Spannungen zwischen Doktor Luther und dem jungen Magister erzählt? Wie unnötig, darauf hinzuweisen, daß ihr Onkel sich seine Gedanken über Felix Bernardis Rückkehr machte.
Maria Lepper schob nervös ihr Bündel hin und her. Mit der Spitze ihres Holzschuhs malte sie Kreise in den Morast. Spannungen schien sie zu riechen wie andere Menschen den Duft eines Gänsebratens.
»Wenn Ihr in Zukunft die Magistra von Wittenberg spielt, werdet Ihr einen Haufen neuer Bücher brauchen«, sagte Bernardi schließlich. »Ich empfehle Euch, einmal in Hans Luffts Buchdruckerei vorbeizuschauen.«
»Hans Lufft? Heißt nicht so der Drucker, der Onkel Luthers Übersetzung der Heiligen Schrift veröffentlicht hat?«
»Diese Übersetzung und noch eine Menge anderer Bücher! Hans Lufft ist ein Genie. Der beste Meister der Schwarzen Kunst weit und breit. In den nächsten Wochen werde ich enger mit ihm zusammenarbeiten. Ein alter Bekannter, dem ich in der Stadt über den Weg lief, hat mir angeboten, die Bibliothek der Leucorea zu sortieren. Euer Onkel empfiehlt der Universität schon seit Jahren, neben
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