Die Magistra
Lutherin ist eine starke Frau. Und was mich betrifft, so wüßte ich nicht, warum ich mich auf Eure Geschäfte einlassen sollte!«
Wolfger lachte. Es war ein boshaftes, heimtückisches Lachen. Unsanft zog er die Zügel straff, beugte sich jedoch unvermittelt noch einmal zu Philippa herunter und flüsterte ihr ins Ohr: »Weil meine Geschäfte Euch eventuell helfen könnten, Euren erbärmlichen Gutshof in Lippendorf zurückzubekommen. Nebenbei bewahren sie vielleicht auch den törichten Magister mit seinem hebräischen Medaillon vor dem Richtblock. Denkt einmal darüber nach, meine Liebe!«
15. Kapitel
Die ersten Nachrichten aus Schmalkalden erreichten Wittenberg in den frühen Abendstunden des folgenden Tages. Katharina Luther empfing sie mit gemischten Gefühlen, da der Bote, ein halbwüchsiger Kurierreiter, auf den Gesundheitszustand ihres Gemahls nur mit dürren Worten und überdies äußerst ausweichend einging. Sie erfuhr lediglich, daß der Medicus des Kurfürsten einen Steinschneider aus Waltershausen bestellt hatte, der eine Herberge nahe Luthers Quartier beziehen sollte.
Nachdem Philippa ihm einen Teller gebratene Hühnerleber und einen Becher Wein vors offene Feuer gestellt hatte, wurde der Bote gesprächiger. Kauend berichtete er von den ersten Verhandlungen zwischen dem Landgrafen von Hessen und ihrem Herrn, Kurfürst Johann Friedrich, die in einem heftigen Wortgefecht endeten, als der Sachse erfuhr, daß Landgraf Philipp ohne Wissen des Bundes die Wiedereinsetzung Herzog Ulrichs von Württemberg betrieb und zudem engen Kontakt mit Herzog Georg, einem erklärten Feind der Reformation, pflegte. Doch auch die Schmalkaldischen Artikel, an denen Luther auf Wunsch seines Landesherrn so eifrig gefeilt hatte, gaben reichlich Anlaß zum Disput.
»Auf der gesamten Tagesordnung steht kaum ein Punkt, über welchen die Herren sich nicht in die Haare kriegen«, bemerkte der junge Kurier und zuckte die Achseln. »Ich wollte es ja selbst kaum glauben, aber Melanchthon und Philipp von Hessen tun alles, um die Besiegelung der Bekenntnisformel hinauszuzögern. Unter diesen Umständen können sich die Verhandlungen noch über Wochen hinziehen.«
»Ich ahnte schon, daß Melanchthon mit verschiedenen Punkten der Formel nicht zufrieden ist«, sagte Katharina nachdenklich, »aber welchen Grund könnte der Landgraf von Hessen haben, meinem Gatten so kurz vor dem Konzil der Päpstlichen in den Rücken zu fallen?«
Der Bote rückte seinen Sessel näher ans Feuer und blickte einige Momente abwesend in die Glut. Dann sagte er: »Niemand kennt den wahren Grund, Herrin. Aber im Lager der Ritter gehen Gerüchte über eine Annäherung des Landgrafen an die Partei des Kaisers um. Ihr wißt wohl selbst, welche Folgen ein Bündnis zwischen diesen beiden haben könnte?«
Katharina fragte nicht weiter. Schweigend wies sie die Magd mit dem Weinkrug an, den Becher des Kuriers nachzufüllen.
»Ist Wolfger von Hoechterstedt bereits in Schmalkalden eingetroffen?« erkundigte sich Philippa.
Der Kurierreiter quittierte ihre Frage mit finsterem Nicken. »Er kommt sich furchtbar wichtig vor, steckt seine Nase in jede Angelegenheit und diktiert Tag und Nacht Briefe. Seine Pagen tun mir leid. Er traktiert sie fürchterlich. Vor zwei Tagen sah ich, wie sie einen der Knaben blutüberströmt aus dem Zelt des Eidgrafen schleppten!«
Für Philippa stand fest, daß Wolfger seinen Einfluß auf den hessischen Landgrafen nutzte, um seine eigenen Pläne zu verfolgen. Gewiß hatte er heimliche Nachforschungen angestellt und war dabei auf die alte Fehde zwischen den sächsischen Häusern von Bora und Medewitz gestoßen. Ebenso auf Philippas Vertreibung aus Lippendorf. Dieser Umstand mußte sie in seinen Augen äußerst verwundbar machen. Darüber hinaus zweifelte sie nicht daran, daß ein Mann wie Eidgraf Wolfger skrupellos genug war, selbst mit ihrer intriganten Schwägerin fertigzuwerden.
Aber hatte er deswegen auch zwangsläufig etwas mit dem Mord an der Lepperin zu tun? Konnte er wirklich der Wolf sein, vor dem sie sich gefürchtet hatte?
Vor langer Zeit, so erinnerte sich Philippa, war in Lippendorf die Geschichte eines Mannes umgegangen, den Ehrgeiz und ein unbändiger Drang nach Wissen angeblich zu einem Pakt mit dem Leibhaftigen verführt hatten. Niemand wußte, was aus dem Mann geworden war, man vermutete jedoch, daß er einen hohen Preis für seinen Pakt hatte entrichten müssen. Sollte Philippa, nur um Rache an Sebastian und Abekke zu
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