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Die Maikaefer

Die Maikaefer

Titel: Die Maikaefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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Soldaten nicht beantwortete. Nicht etwa, weil er sie nicht verstand – Rupert imitierte den Russen in seinem Kauderwelsch –, sondern weil er sie nicht beantworten wollte. So schien es jedenfalls, und das war auch das Seltsame und Unheimliche an der Geschichte: Warum schwieg der Junge beharrlich auf die einfachsten Fragen? Denn jeder von uns hier im Kreis wusste, dass wir der Gefahr am ehesten entgingen, wenn wir die betrunkenen Russen in ein Gespräch verwickelten, auf jeden Fall ihre Fragen beantworteten. Der Junge tat das nicht, und dieser nationalsozialistische Stolz des Winzlings machte den Rotarmisten schließlich so wütend, dass er anfing, ihn zu misshandeln. Als das auch nichts nutzte, folterte er den Kleinen, missbrauchte ihn und tötete ihn. Rupert schmückte das alles aus, so gut er konnte, und endete damit, dass es gestern passiert sei, und zwar ganz in der Nähe.
    Wir alle schwiegen, nur Schmierbacke machte Ruperts quäkende Stimme nach und sagte: »Das ist keine lustige Geschichte. Das nächste Mal stecke ich deinen Kopf in Kuhscheiße.«
    Wir lachten alle bis auf Günni Kelm, der beim Anhören der Geschichte ziemlich bleich geworden war. »Dann kannst du uns das Opfer ja zeigen«, sagte Günni.
    »In Ordnung!«, rief Rupert, »dann auf – Tritt, marsch, ganze Abteilung in den Arsch, der Kleine liegt auf einem nahen Feld, wer ihn sehen will, der zahlt ein Geld!« Er marschierte sofort los. Schmierbacke versuchte, ihm ein Bein zu stellen, aber Rupert stolperte nur und lachte, als Schmierbacke ihm hinterher rief, so ’n Scheiß interessiere ihn nicht. Wir anderen aber rannten alle hinter ihm her.
    Man musste über einen sehr matschigen Acker gehen, und als die Ersten bereits die Lust verloren, weil ohnehin niemand die Geschichte glaubte, blieb Ruppig stehen und zeigte auf etwas. Ich war der Letzte.
    Als ich ankam, standen sie alle um einen kleinen Körper, der auf dem getauten, dunklen Boden wie ein helles Geschwür aussah. Ein zierlicher Junge, jünger als ich. Einer drückte mit dem Fuß gegen seine Schulter, sodass er auf den Rücken rollte, dann beugten wir uns herunter, um sein Gesicht zu sehen. Es war Richard Kelm, der kleine Ricki. Mir war sehr unheimlich zumute, weil es aussah, als schliefe er und könnte jeden Moment die Augen aufmachen.
    Den ganzen Tag über redeten die anderen darüber, dass Rupert das wusste, und besonders Schmierbacke versuchte, aus ihm herauszuquetschen, woher er das gewusst habe. Rupert gab unter dem Druck nach, aber jedes Mal war seine Erklärung anders.
    Trotz der anstrengenden Arbeit den ganzen Tag über konnte ich abends nicht einschlafen. Nachts bekam ich Fieber. Am nächsten Tag war ich krank.

23. KAPITEL
    H
    eftig ruckelte und klopfte es an unserer Tür. Ich lag im Bett, weil ich immer noch krank war. Erschreckt riss ich die Augen auf, rührte mich aber nicht. Ich weiß nicht, warum meine Mutter abgeschlossen hatte, aber mir war klar, dass der Eindringling in Nullkommanix am Fenster sein würde.
    Blitzschnell war ich auf den Füßen, breitete eine Decke auf der Erde vor dem Fenster aus, unsere Mutter packte Dagi, die am Tisch irgendwas zeichnete, setzte sie neben mich auf die Decke und kroch unters Bett. Wir hatten es so verabredet und so auch geübt. Wir konnten kaum noch bis Drei zählen, da krachte der Gewehrkolben durchs Fenster.
    Der Kerl trug nicht einfach nur eine Jacke, sondern einen bis oben hin geschlossenen Mantel, woran ich sah, dass wir einen Offizier vor uns hatten. Obwohl er nicht aufrecht stand, sondern wie eine lauernde Bestie vor dem Fenster kauerte, konnte ich in ihm einen kräftigen, muskulösen, zu allem entschlossenen Mann erahnen. Zu anderen Zeiten hätte Tante Kläre von ihm gesagt, er stehe voll im Saft seiner Jugend, aber ich sah an seinen Augen, dass in ihm nichts kochte als Wildheit und Gier.
    Er sprach gebrochen Deutsch, wusste, dass meine Mutter hier wohnte, und wusste auch, dass sie heute nicht zur Arbeit erschienen war. In der letzten Nacht waren zwei von den wenigen Pferden gestohlen worden, vermutlich von Polen, als die Wachen nicht aufgepasst hatten, und deswegen musste die Feldarbeit ausfallen, zu der meine Mutter eingeteilt worden war.
    Unschuldig schauten wir zu dem Offizier im Fliegermantel auf, und wild schaute er aus dem glaslosen Viereck auf uns herunter.
    »Wo ist Mamotschka?«
    Freundlich sollte es klingen, ein freundlicher Anfang, aber drohend kam es bei uns an.
    »Tot«, sagte Dagi laut und trocken.
    Es war eine

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