Die Malerin von Fontainebleau
die Wangen, während sie verzweifelt ihren Beutel verteidigte. »Das ist alles, was ich habe! Versteh das doch!« Ihre Stimme wurde höher und schriller und weckte den zweiten Knecht auf, der im Heu hinter den Pferden gelegen hatte.
»He, gebt Ruhe! Fosco, lass den Jungen zufrieden. Der ist doch noch ein halbes Kind.«
Fosco ließ den Beutel los, spuckte aus und stieß Luisa zurück. »Hast Glück gehabt, aber sieh dich vor, noch sind wir nicht in Lucca …« Dann trollte er sich zu den Maultieren.
Für den Rest der Nacht machte Luisa kein Auge mehr zu und erhob sich, sobald es hell wurde. Ihr ganzer Körper schien zu schmerzen, und ihr war heiß. Wahrscheinlich hatte sie Fieber. Der Umhang war noch immer feucht. Sie warf einen vorsichtigen Blick zu den Knechten, die beide noch schliefen. So leise, wie es ihr möglich war, stieg sie über Halfter und Kisten und drückte die Stalltür auf. Die Tiere schnaubten und stapften unruhig hin und her.
Der Sturm hatte sich gelegt und der Regen aufgehört. Die Wege waren noch immer aufgeweicht, doch zumindest sichtbar. Luisa war sich darüber im Klaren, dass sie zu Fuß wesentlich länger brauchen würde, doch wenn der hinterhältige Fosco ihr den Beutel stahl, wäre ihre Reise zu Ende, noch ehe sie richtig begonnen hatte. Es war nicht nur das Geld, sondern vor allem ihre Zeichnungen und die Gussformen, die sie mitgenommen hatte und wie einen Schatz hütete. Im Grunde genommen waren es ihre Formen, in Pietros Werkstatt von ihr hergestellt. Sie biss sich auf die Lippen. Natürlich würde Pietro die Formen vermissen, aber er konnte neue machen. Sie brauchte die Stücke. Allein mit diesen Beweisen ihrer Kunstfertigkeit würde sie Zugang zu Rossos Werkstatt finden. Sie wusste nicht, wie Armido reagieren würde, aber wenn sie Meister Rosso ihre Arbeit zeigte und der sie akzeptierte, dann konnte selbst ihr Bruder nichts dagegen sagen, wenn sie in Frankreich blieb.
Frankreich! Ein Lächeln glitt über Luisas Gesicht, während sie tapfer durch den Schlamm schritt, immer auf der Hut vor dem Wagen der Vettorini. Zwei Tage hielt sie ihren Fußmarsch nach Lucca durch, wo sie für eine Nacht Zuflucht in einem Kloster fand. Auf der Via Aurelia ging sie weiter Richtung Massa, doch am vierten Tag wehrte sich ihr Körper gegen die Strapazen der Reise mit völliger Entkräftung und Fieber. Ihre Knie versagten ihr beinahe den Dienst, als sie kurz vor Sonnenuntergang Hundegebell und Kinderstimmen hörte. Zu ihrer Linken lag irgendwo das Tyrrhenische Meer, und rechts von ihr begannen die Apuanischen Alpen, doch während sie noch darüber nachdachte, ob sie vielleicht ein Schiff nach Marseille hätte nehmen sollen, verließen ihre Kräfte sie endgültig, und sie sank besinnungslos zu Boden.
Etwas Feuchtes wischte ihr über das Gesicht und brachte
sie wieder zu Bewusstsein. Sie schlug die Augen auf und sah eine Hundeschnauze vor sich.
»Beppo, was machst du da? Komm her!« Eine energische Jungenstimme rief den zotteligen Hund zurück.
Später erinnerte Luisa sich nur noch daran, dass man sie auf einen Wagen gelegt und in einem Heuschober warm zugedeckt hatte. Es war noch dunkel, als sie die Augen öffnete. Zuerst griff sie nach ihrem Filzhut, der sich während der Reise in ein unförmiges Gebilde verwandelt hatte, und dann nach ihrem Beutel. Beides lag neben ihr im Heu. Milchkühe und Ziegen drängten sich dicht neben ihrem Heuboden und ließen den Stall auch in der Nacht nicht auskühlen. Sie hörte das Scharren der Tiere und wollte aufstehen, doch der Kopf schmerzte ebenso wie die Glieder, und sie sank erneut in tiefen Schlaf.
»Signorina, aufwachen.« Jemand rüttelte sanft an ihrer Schulter.
Das Licht blendete sie. Blinzelnd schaute sie in eine Laterne, die jemand vor ihr in die Höhe hielt. Plötzlich durchfuhr sie die Erkenntnis, dass dieser jemand hinter dem Licht sie als Frau erkannt hatte, und Angst schnürte ihr die Kehle zu. »Ich …«, stotterte sie hilflos und griff nach ihren Sachen.
»Mein Sohn hat Euch gefunden, völlig entkräftet. Ihr habt drei Tage und Nächte geschlafen.«
Ihre Nervosität legte sich etwas. Vor ihr kniete eine Frau und hielt die Laterne so, dass Luisa ihr Gesicht erkennen konnte. Es war ein freundliches Gesicht mit sanften Augen. »Wie, ich meine, warum habt Ihr mich hierher …?«
Die Frau lächelte und legte eine kräftige Hand auf die Luisas. »Ihr seid eine Frau in Not, und ich habe Euch geholfen. Aber heute kommt mein Mann zurück. Ihr müsst
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