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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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gehen. Hier.« Sie reichte Luisa einen Korb. »Brot, Käse und etwas Schinken. Davon könnt Ihr drei bis vier Tage essen.«

    Luisa erhob sich mit Hilfe ihrer unerwarteten Retterin und stieg hinter ihr die Stiege in den Stall hinunter. Ihr Kopf schmerzte kaum noch, die Glieder fühlten sich steif an, doch der Schwindel und das Fieber schienen verflogen. »Ich danke Euch. Wie kann ich mich …?«
    Die Bäuerin drehte sich zu ihr um. »Helft einer anderen, wenn Ihr könnt, und sagt mir doch, nur wenn es Euch möglich ist, warum verkleidet Ihr Euch als Mann?« Kaum hörbar setzte sie hinzu: »Gehört Ihr zu den Armen Christi, die man die Waldenser nennt?«
    Im flackernden Licht der Laterne versuchte Luisa, Arglist in den Zügen der Frau zu entdecken, doch diese sah sie nur neugierig an. »Nein, ich will zu meinem Bruder nach Frankreich. Ich bin eine Künstlerin.«
    »Dann sind das Eure Zeichnungen in dem Beutel? Eine Frau, die malt, ist nicht weniger eine Ketzerin als eine, die dem neuen Glauben anhängt. Nehmt Euch in Acht.«
    Eine Ziege meckerte, und die Kühe wurden unruhig, denn es wurde langsam hell. »Wer sind die Waldenser?« Sie wusste kaum etwas über diese Gruppe, die den Reformisten nahestand, aber es hieß, sie gehörten zu den schlimmsten Ketzern und würden alle im Höllenfeuer brennen.
    Die Bäuerin löschte die Laterne. »Kommt jetzt. Mein Mann würde mich zu Tode prügeln, wenn er erführe, dass ich überhaupt davon gesprochen habe.«
    Vorsichtig drückte die Bäuerin die Tür auf, spähte in das morgendliche Zwielicht und deutete auf eine dunkle Masse in der Ferne. »Hinter dem Wald liegt die Straße nach Pontremoli, dann seid Ihr schon fast am Apennin. Gott mit Euch!«
    Luisa stülpte ihren Hut über und schulterte ihren Beutel. Den Korb nahm sie in eine Hand. »Danke! Gott möge es Euch vergelten!«
    Während sie sich orientierte und einen ausgetretenen
Pfad quer durch den Wald fand, dachte sie über ihre Retterin nach. Was für ein seltsamer Zufall hatte sie ausgerechnet vor die Füße dieser Bäuerin geführt, die Sympathien für die Reformisten zu hegen schien. Luisa warf einen Blick auf den Korb und dankte der Frau im Stillen noch einmal für ihre Großzügigkeit. Der Gedanke an die Armen Christi ließ sie nicht los. Wer war diese geheimnisvolle Gruppe? Zu Hause wurde nie über Religion gesprochen. Pietro hatte seine eigenen Sorgen, und Tomaso trug seine Gläubigkeit als guter Katholik zur Schau, als sei es eine Trophäe. Ihre Schwestern gingen zur Messe und beichteten wie alle. Auch für Luisa war die Messe eine Selbstverständlichkeit, über die sie nicht nachdachte. Sie ging hin, weil man es erwartete, doch während der Priester seine Litanei abspulte, war sie mit ihren Gedanken meist bei ihren Entwürfen für neue Formen oder hing ihrem Traum vom Malen eines Freskos nach.
    Nur Armido hatte früher manchmal mit ihr über seinen Glauben gesprochen, aber das war lange her, und sie war noch zu jung gewesen, um ihn zu verstehen. Sie hatte immer geglaubt, es ginge Armido in erster Linie um die Kunst. Das Malen und Erfinden neuer Gussformen war schließlich auch ihre einzige Leidenschaft. Aber was wusste sie schon von ihrem Bruder? Sie waren Jahre getrennt gewesen, und in den wenigen Briefen hatte er neben etwas gesellschaftlichem Klatsch nur von seiner Arbeit in Rom geschrieben.
    Sie trat auf einen Zweig, der unter ihrem Gewicht knackte, und schrak zusammen, doch es rührte sich nichts. Außer den Vögeln und anderen tierischen Geräuschen war nichts zu vernehmen. Ein Satz von Armido kam ihr plötzlich in den Sinn und schien eine neue Bedeutung zu gewinnen. »Ich habe einen Prediger getroffen, Luisa, der mir die Augen geöffnet hat.«
    Damals hatte sie nicht verstanden, dass ein Prediger kein
Priester war, und Armidos Bemerkung keine Beachtung geschenkt. Ihr Bruder war sehr ernst gewesen, als er ihre Hände genommen und ihr fest in die Augen gesehen hatte. Heute wusste sie zumindest, dass es Männer gab, die den neuen Glauben predigten. Diese Prediger zogen durch die Lande und verkündeten die Worte der Bibel, und alles hing mit einem Luther aus den deutschen Landen zusammen. Seine Anhänger nannte man Protestanten. War es diese neue Lehre, die ihren Bruder in Bann zog? In Frankreich gab es mehr Anhänger des neuen Glaubens, und sie genossen eine größere Freiheit als in Spanien oder Italien. Die freundliche Frau hatte von den Waldensern gesprochen, einer Glaubensgemeinschaft, von der in letzter

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