Die Malerin von Fontainebleau
und so sind wir weggezogen. Meine Frau ist am Fieber gestorben. Der Umzug war zu anstrengend.«
»Waren denn nicht mehr von euch in Embrun?«, wunderte sich Élie.
»Die sind schlauer gewesen und gleich nach der Plakataffäre fortgegangen in den Süden, wo größere Gemeinden leben. Wir waren naiv und haben geglaubt, die Leute würden uns tolerieren wie wir sie auch.« Hugues nahm seinen Becher in beide Hände und trank ihn in einem Zug aus.
»Hat es uns denn genützt, dass wir viele sind, Élie?«, fragte Jacob.
Aleyd nahm Armidos Hand in ihre. »Bist du sicher, dass du die richtige Frau und die richtige Religion gewählt hast? Das Leben an meiner Seite wird nicht leicht.«
»Ich möchte kein anderes, Aleyd. Also, was unternehmen wir nun wegen Estève?«
Jules sah ihn an. »In Embrun kannst du dich nicht blicken lassen, Armido, aber du hast ein Pferd und könntest nach Lyon reiten. Die Lavbruchs wohnen dort bei Étienne Dolet. Mit etwas Glück sind auch Marot und Rabelais dort, und die stehen zurzeit gut mit dem König. Überzeuge sie, dass sie für Estève sprechen. Wenn selbst das nichts nutzt, können wir nur versuchen, eine große Geldsumme aufzutreiben, aber ich befürchte, dass es dem Bischof und Sampieri darum nicht geht …«
»Mit Sicherheit nicht, das sind Fanatiker, die ein Exempel
statuieren wollen. Die Leute sollen sehen, was es bedeutet, sich der heiligen Kirche zu widersetzen. Angst und Schrecken, das ist es, was sie verbreiten wollen!«, pflichtete Armido ihm bei.
Und Sidrac fügte hinzu: »Die königliche Politik ist ihnen zu milde, und leider haben sie die Unterstützung der Partei des Dauphins Henri.«
Bei der Erwähnung des Dauphins ging ein Raunen durch die Gesellschaft. Élie hob seinen Becher: »Gott schenke dem König ein langes und gesundes Leben!«
Armido hatte auf seiner Reise nach Embrun von fahrenden Kaufleuten das Gerücht gehört, dass der König einen Fieberanfall gehabt habe. Und von Madame d’Étampes und ihrem Arzt hatte Armido in Paris erfahren, dass Franz I. an schmerzhaften Geschwüren im Analbereich litt und in regelmäßigen Abständen, die sich mit zunehmendem Alter verkürzten, durch das Aufbrechen dieser Geschwüre auf sein Lager gezwungen wurde. Die Details des königlichen Leidens hatten Armido schockiert. Wohlweislich behielt er diese Einzelheiten für sich. Der König war zeit seines Lebens ein sportlicher und kräftiger Mann gewesen und sollte noch viele Jahre vor sich haben. »Auf den König!«, sagte er.
Bei frühlingshaften Temperaturen war der Dorfplatz voller Menschen, die auf den Beginn des Spektakels warteten. Die Aussicht auf eine Hinrichtung hatte fast die gesamte Dorfbevölkerung auf den Richtplatz gelockt. Didier hielt sich vorsichtig im Hintergrund, die Kapuze seines Umhangs über den Kopf gezogen. Er konnte sich dieses Schauspiel jedoch nicht entgehen lassen. Dabei hätte nicht viel gefehlt, und der bailli hätte ihn mit Albin aufs Schafott gebracht. Beim Anblick des vom Blut dunkel gefärbten Richtblocks lief ihm eine Gänsehaut über den Nacken.
Didier stand an der Pferdetränke, neben sich eine alte Frau, die dauernd mit ihrer Krücke um sich schlug, bis er sie anstieß. »Eh, pass doch auf, Alte!«
Die Alte stützte sich auf ihren knorrigen Stock, schaute mit vom grünen Star blinden Augen in seine Richtung und öffnete einen fast zahnlosen Mund. »Sag schon, Bürschchen, ist der Dieb schon oben?«
Der Gestank, der aus der dunklen Mundhöhle strömte, mischte sich mit den nicht minder widerlichen Gerüchen, die den Platz durchströmten. Schwitzende und verlauste Menschen, deren Haare seit Wochen kein Wasser gesehen hatten, drängten sich um die Bühne, auf der die Soldaten den Richtblock aufgebaut hatten. Hier im Dorf lebten diejenigen, die das Schloss mit Getreide, Gemüse, Obst und Ähnlichem versorgten oder Gelegenheitsarbeiten übernahmen, dazu ein Schmied, ein Barbier und etwas außerhalb ein Müller. Die meisten waren Bauern, die von dem Wenigen ihr Leben fristeten, das sie behalten durften. Wer nicht im Schloss selbst lebte, galt als Abschaum, das wurde Didier einmal mehr klar, als er die Kreaturen ansah, die sich mit stumpfen, von Hunger und Leid ausgezehrten Mienen um das Schafott scharten. Daneben war ein Pferch aufgebaut, in dem sich die jungen Männer des Dorfes später bei einem beliebten Spiel vergnügen würden, dem Totschlagen von Schweinen.
Didier verscheuchte ein Huhn, das zwischen den Menschen nach Körnern
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