Die Malerin von Fontainebleau
pickte. Die Alte stieß ungeduldig mit ihrem Stock nach dem jungen Diener. »Du bist doch noch da, ich kann das riechen. Also, haben sie den Dieb schon vorgeführt? Ich habe gehört, dass sie ihm erst die Hände abschlagen.« Sie lachte heiser.
Ein großer Mann mit gebeugten Schultern und einem breiten Ledergürtel, an dem ein schlecht gepflegtes schartiges Schwert hing, wandte den Kopf. Didier erschrak, denn
der Mann war ein Knecht des bailli . Doch der beachtete ihn nicht, sondern sagte zu der Alten: »Gevatterin, sie haben herausgefunden, dass der Dieb auch ein Mörder ist, oder jedenfalls ist das so gut wie sicher. Deshalb schlagen sie ihm erst die Hände ab und dann den Kopf.«
Die Alte kreischte vor Freude, und Didier machte einen Schritt nach hinten, wobei er mit einem Fuß in der Tränke landete. Leise fluchend schüttelte er den nassen Schuh. Mit dem dummen Albin hatten sie einen Sündenbock gefunden, dem sie auch den Mord an Piet anhängen konnten. Damit war der bailli seine Sorgen los und die Öffentlichkeit zufriedengestellt. Das Verfahren war kaum als solches zu bezeichnen gewesen. Seltsam genug, dass Mallêt solchen Wert auf die Vorladung von Luca Paserini gelegt hatte. Wenn er allerdings die Vorliebe des Sekretärs für Knaben und weibische junge Männer bedachte, schien es schon weit weniger merkwürdig. Und weibisch benahm sich der junge Paserini, dass es nicht mit anzusehen war.
Nachdem Paserini verschwunden war, hatte sich der bailli auf Albin gestürzt. Diese kleine Ratte hatte natürlich versucht, sich aus der Sache herauszureden, obwohl er so schuldig wie die helle Morgensonne war. Als Albin ihn dann mit hineinzog und von ihrer kleinen Abmachung plauderte, hatte Didier schwere Geschütze auffahren müssen und Albin mit früheren kleinen Diebstählen in den Kellerräumen belastet. Niemand konnte das Gegenteil beweisen, und der bailli schien dankbar, dass Albin ein notorischer Übeltäter war.
Die Alte schwang erneut ihren Stock und fragte einen Jungen, den sie am Kragen erwischt hatte, ob die Hinrichtung schon begonnen habe. Sie wollte den genauen Ablauf hören und vor allem jedes blutige Detail. Blutig würde es werden, und Didier verspürte für einen kurzen Moment Gewissensbisse.
Doch dann griff er nach seinem Amulett und murmelte: » In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen. In nomine domine nostri Jesus Christus crucifixi, surgo. Ille me benedicat, regat, protegat, custodiat et ad vitam perducat aeternam, amen. Abrenuntio tibi, Satana, et conjungo tibi, Deus. Et Verbum caro factum est et habitavit in nobis. «
Ruhiger geworden ließ er nun den Rosenkranz durch die Finger gleiten. Plötzlich kam Bewegung in die wartende Menge. Die Spielleute, die vorher einen nervtötenden Lärm auf Flöten und einem Dudelsack von sich gegeben hatten, huben einen Trommelwirbel an. Die Leute johlten, als Albin von zwei Soldaten auf das Schafott geführt wurde. Sie mussten den vollkommen verängstigten Jungen die Stufen hinaufschleifen, denn seine Beine schienen ihm den Dienst versagt zu haben. Mit irrem Blick starrte Albin in die Menge. Seine Haut sah wund und aufgeplatzt aus. Das Hemd schlotterte um den mageren Körper.
»Ich habe den Mann nicht umgebracht!«, brüllte Albin plötzlich. »Ich war es nicht! Nein, nein! Ihr könnt mich dafür nicht töten!«
Didier duckte sich in den Schatten einer Hauswand, denn er fürchtete, dass Albin mit dem Finger auf ihn zeigen und die Meute aufstacheln könne. Zwei Hinrichtungen waren noch besser als eine. Er selbst hatte dem bailli den Floh ins Ohr gesetzt, dass Albin der Mörder sein könnte. Monsieur de Mallêt hatte die ganze Zeit über kaum ein Wort gesprochen und an seinem Ring gespielt. Irgendwann hatte Didier einen genaueren Blick auf den Ring erhaschen können und so etwas wie eine Erleuchtung gehabt. Als die Erkenntnis in sein Gehirn gesunken war, dass der Sekretär von Kardinal Tournon der Unbekannte sein musste, der ihn regelmäßig in den Beichtstuhl der königlichen Kapelle befahl, war alles ein Kinderspiel gewesen.
Mallêt konnte kein Interesse an seiner Verurteilung haben, denn noch war er ein guter Informant. Mit dem Mord an Piet war er jedoch einen Schritt zu weit gegangen. Albin war die ideale Lösung. Er hatte zwar eine gewisse Bauernschläue, aber Intrigen durchschaute er nicht. Didier spuckte aus. Der Kerl konnte ja nicht einmal lesen, geschweige denn schreiben. Ein Soldat schlug Albin so heftig ins Gesicht, dass dieser auf die
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