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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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zur Seite schob. Nun hob der Henker, dessen muskulöser Oberkörper vor Schweiß in der Sonne glänzte, sein Beil, das kurz aufblitzte und dann mit einem präzisen Schlag Albins Halswirbel durchtrennte. Der Kopf fiel in den vor dem Block platzierten Korb, und die Leute schrien fast erleichtert auf. Didier wandte den Blick vom schauerlichen Anblick des kopflosen Rumpfes ab. Nur aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie der Henker und sein Knecht mit der Beseitigung des Leichnams begannen.
    Die blinde Alte zog einige Livres aus ihrem Gürtelbeutel und gab sie dem Jungen. »Geh und hol mir eine Hand
voll Schamhaare von dem Gerichteten, und wenn das Geld reicht, auch einen halben Becher Blut.«
    Mit Gerichteten wurde ein regelrechtes Geschäft betrieben, denn die Menschen waren abergläubisch, und alles, was von einem Hingerichteten stammte, war als zauberkräftige Medizin verwendbar. Dieser zugegebenermaßen unchristliche Gedanke hatte dennoch etwas Tröstliches, dachte Didier, wenn auch die Vorstellung, dass Albins Schamhaare möglicherweise in einem Tuch am Unterleib einer Frau getragen wurden, die sich dadurch eine Schwangerschaft erhoffte, nicht einer gewissen Komik entbehrte. Er wollte sich abwenden und den Dorfplatz verlassen, als ein Schrei vom Schafott ertönte. Der Henkersknecht, der Albins Rumpf aufheben wollte, hatte dabei das blutverschmierte Hemd des Toten nach oben geschoben und zeigte nun mit den Fingern auf den Brustkorb, auf dem sich auch aus der Entfernung deutlich sichtbar dunkle Flecken abzeichneten.
    Die Leute bekreuzigten sich oder machten andere Zeichen, die das Böse abwehren sollten, und schrien aufgeregt durcheinander. Doch erst, als jemand das Wort »Pest« aussprach, geriet die Menge in Bewegung. Panik brach aus.

XXVI
    Château de Ventadour
    April 1538
     
     
     
     
    A uf dem Hügelrücken zügelte Rosso Fiorentino sein Pferd. Das Château de Ventadour, in dem Franz I. und sein Hof sich niedergelassen hatten, lag westlich von ihm in Sichtweite auf einem Plateau. Der Toskaner begrüßte die milde Frühlingsluft, erinnerte sie ihn doch an seine Heimat, in der die Natur schon einen Schritt weiter war und die Sonne Wege und Felder zwischen den Zypressenhainen wärmte. Das Limousin, das er seit einer Woche in Franz’ Gefolge durchreiste, war eine grüne Hügellandschaft, durchzogen von zahlreichen Wasserläufen und Seen. Wäre das Klima lieblicher, hätte er diesen Landstrich reizvoll gefunden, doch ständiger Regen und ein grauer Himmel ließen bei Rosso nicht den Wunsch aufkommen, hier länger als notwendig zu verweilen. Er lenkte sein Pferd zum Fluss hinunter, wo er es trinken ließ.
    Die Luzège traf südlich auf die Dordogne, den größten Fluss der Region. Während sein Pferd laut schlürfend das kühle Wasser trank, wischte sich Rosso den Nieselregen aus dem Gesicht, der schon seit dem frühen Morgen niederging. Sein gewachster Umhang konnte die Feuchtigkeit nicht mehr abhalten, ein Zeichen, dass er den Rückweg antreten sollte. Schnaubend hob das Pferd den Kopf. Rosso gab dem jagderfahrenen Tier mit einem Schenkeldruck zu verstehen, dass es sich in Bewegung setzen sollte.

    Auf den nassen Weiden standen Schafe und Kühe, auf kargeren, höher gelegenen Teilen Ziegen. Die Pferdehufe sanken tief in den Ufermorast ein, und Rosso trieb den Grauen auf den steinigen Weg, der dem Fluss bis zum Château folgte. Einige Meter vor ihm erweiterte sich das Flussbett, wurde flacher und dehnte sich zwischen Bäumen und Schilf aus. Gegen Mittag riss die Wolkendecke auf. Rosso schlug die Kapuze zurück, löste die Bänder des Umhangs und legte das schwere Kleidungsstück vor sich auf den Sattel. Der Schrei eines Falken ließ ihn nach oben sehen. Er liebte es, die eleganten Jäger der Lüfte zu beobachten. Der königliche Falkner trainierte seine Vögel bei jedem Wetter, und heute schien ein Hase das Opfer zu sein, denn Rosso entdeckte ein Langohr, das Haken schlagend über eine Wiese lief.
    Die Zerstreuung an der frischen Luft tat ihm gut, er genoss es, einmal allein auszureiten, ohne eine Meute schnatternder Hofleute im Schlepptau. Selbst Pellegrinos Gesellschaft war ihm oft zu viel, vor allem störte ihn das vorwurfsvolle Schweigen, mit dem ihn sein langjähriger Weggefährte des Öfteren bedachte. Sie sprachen nicht darüber, doch Rosso wusste genau, dass Pellegrino sich an Luca störte. Da er seine Beziehung zu dieser ungewöhnlichen Frau jedoch nicht erklären oder gar rechtfertigen wollte, mied er

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