Die Malerin von Fontainebleau
Tiere, die geduldig im Hof standen. Einen solchen Trubel hatten die Mauern des Château de Ventadour kaum schon einmal gesehen, und Rosso bedauerte den Schlossherrn, dessen Heim einem Feldlager glich. Ohne Montmorency Beachtung zu schenken, stieg Rosso ab und reichte sein Pferd einem bereits wartenden Stallburschen.
Zumindest ließ sich Charles de Ventadour nichts nachsagen und kümmerte sich aufmerksam um jeden Gast. Das mochte auch daran liegen, dass der einfallsreiche Ventadour eine Akademie zur Ausbildung von Pagen auf seinem Château leitete. Wohlhabende, Adlige und Familien, die nach Höherem strebten, brachten ihre männlichen Sprösslinge gerne als Pagen bei Hof unter, wo sie einem bereits etablierten Höfling dienten, um dann selbst Verbindungen zu knüpfen und in der Hierarchie des Hofes aufzusteigen. Es war daher nicht absonderlich, wenn einem das Wasser von einem Sohn des Duc de Soissons oder einem Comte de Villefranche gereicht wurde.
Rosso knüpfte sein Wams auf, denn das Reiten hatte ihn erhitzt. Er steckte die Lederhandschuhe in den Gürtel und suchte in dem riesigen Innenhof, der von Karren, Waren, hin- und hereilenden Knechten und Mägden, Hühnern, Schweinen und zu allem Überfluss von gelangweilt daherstolzierenden Höflingen bevölkert wurde, nach dem Aufgang zu den Gästequartieren. Die Längsseiten des Châteaus maßen an die einhundertachtzig Schritt, wie Rosso selbst gemessen hatte. Außer einem runden Turm und einer Kapelle
gab es keine architektonischen Besonderheiten zu entdecken. Wie ein Bollwerk thronte das massige Château auf seinem Plateau an der Luzège. Rosso stapfte die ausgetretene Holztreppe hinauf in den ersten Stock, wo er mit Pellegrino zwei winzige Kammern bewohnte. Immerhin hatte man ihnen Räume im Schloss zugewiesen, denn in dieser feuchten Jahreszeit waren Rosso Zelte verhasst.
Der Gestank aus dem Hof drang ins Treppenhaus und bis in die Korridore. Aus einer der unzähligen Kammern, die lediglich durch Holzwände voneinander getrennt waren, war lustvolles Stöhnen zu vernehmen. Vor der Tür wartete ein Diener grinsend mit einem Tablett, auf dem ein Weinkrug und zwei Becher standen. Rosso kümmerte sich nicht darum, wie er sich überhaupt aus allem herauszuhalten suchte.
Mit einer Hand warf er den Riegel seiner Kammer zurück und stieß die Tür auf. Die abgestandene Luft roch ranzig, deshalb riss Rosso weit die Läden auf. Danach schlug er gegen die Verbindungstür. »Francesco! Was ist los? Warum hast du diesen Stall nicht gelüftet?«
Meister Rosso setzte sich aufs Bett und streckte die Beine aus. Pellegrino sollte ihm beim Ausziehen der Stiefel helfen, doch wo steckte der Kerl? Rosso mühte sich bereits mit dem zweiten Stiefel ab, als Francesco Pellegrino außer Atem zur Tür hereinstürzte.
»Meister, Ihr seid schon zurück?« Sofort bückte er sich und zog Rosso den Stiefel vom Bein. »Soll ich Euch ein Bad richten lassen? Möchtet Ihr etwas essen?«
»Gemüsesuppe und dann ein Bad.« Missmutig betrachtete Rosso die enge Behausung. Die Bretterwände waren roh belassen, es gab keinerlei Dekoration, nicht einmal einen Wandteppich. Auf derlei Primitivität war Rosso nicht vorbereitet gewesen, sonst hätte er Pellegrino einen Teppich
und Decken mitnehmen lassen. Zumindest hegte er die Hoffnung, dass sein Aufenthalt im Limousin nur von kurzer Dauer war. Der König war seinen Künstlern gegenüber zwar außerordentlich großzügig, doch selbst Rosso Fiorentino musste sich gedulden, bis Seine Majestät geruhte, ihn zu rufen, um ihm den Grund seines Hierseins mitzuteilen.
Pellegrino sagte: »Es tut mir leid, dass ich bei Eurer Rückkehr nicht zugegen war, doch es gab einen traurigen Zwischenfall. Einer der Pagen ist zu Tode gekommen, und es wird geredet, dass es die Schuld des Dauphins Henri ist.«
»Henri und seine Meute sind wild und ungezügelt. Das wird dem König nicht gefallen.« Rosso sah dem Souper mit gemischten Gefühlen entgegen.
Der Festsaal des Châteaus war so unspektakulär wie die gesamte Anlage. Einzig die mitgebrachten Möbel und Bilder des Königs verliehen den Hallen etwas Glanz. Da der König während seiner Reisen bevorzugt in seinen Schlössern nächtigte, die allesamt unmöbliert waren, führte der Tross ständig ein umfangreiches Arsenal des königlichen Haushalts mit sich. In der Eingangshalle und im Saal hingen königliche Banner, auf denen Franz neben dem Papst zu sehen war. Trotz der verlorenen Kaiserwahl ließ Franz, wo immer es sich
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