Die Malerin von Fontainebleau
Beteiligten und einen detaillierten Bericht über den genauen Tathergang. Wenn Guyenne nicht schwimmen konnte, warum hat ihn niemand herausgezogen?«
»Ihr erwartet doch nicht, dass ich selbst einen Diener aus dem kalten Fluss fische?« Henri war ehrlich entrüstet.
Franz musterte seinen Sohn mit Trauer, Wut und Enttäuschung. Die einsetzende Stille währte so lange, wie eine Feder braucht, um zu Boden zu fallen. Dann sagte der König leise: »Ihr könnt gehen.«
Noch nie hatte Rosso den König so niedergeschlagen gesehen wie an diesem Abend. Nachdem Henri den Saal verlassen
hatte, setzte Franz ein angestrengtes Lächeln auf, doch die Stimmung blieb gedrückt. Jedes Lachen klang gekünstelt, und schon bald löste der König die Tafel auf. Als Rosso sich erhob und zum Gehen wandte, winkte der König ihn zurück. »Auf ein Wort, Meister Rosso.«
Rosso Fiorentino wartete, bis die Gesellschaft sich zurückgezogen hatte und nur noch Franz, Montmorency, der Schlossherr und die im Hintergrund verharrenden Diener zugegen waren. Sogleich wirkte der Saal noch kälter und ungemütlicher. Durch die kleinen Fensteröffnungen zog es, der Putz bröckelte von den Wänden, und die aufgehängten Waffen waren rostig. Dazu hatten Kerzen und Lampen in vielen Jahren rußige Spuren hinterlassen. Das Château de Ventadour war nur noch ein blasser Schatten einstigen Glanzes, genau wie sein Hausherr, der niedergeschlagen in seinem Sessel saß.
»Vielleicht gehen wir in die Bibliothek, Sire?«, schlug Rosso vor.
Charles de Ventadour schüttelte müde den Kopf. »Die existiert nicht mehr. Ich habe alle Bücher verkaufen müssen, um das Schloss halten zu können. Ihr seht selbst, in welch erbärmlichem Zustand es ist. Mein Vater hat mir nichts als Schulden und diesen Haufen Steine hinterlassen.«
»Ah, nicht so pessimistisch, mein Bester«, sagte der König jovial. »Wir werden natürlich für die Unannehmlichkeiten, die das leichtsinnige Verhalten meines Sohnes verursacht hat, aufkommen.«
Die Miene des Schlossherrn hellte sich etwas auf. »Das ist äußerst großzügig von Euch, Sire! Wie kann ich Euch nur danken?«
»Geht mit dem Connétable und erklärt ihm im Einzelnen, welche Auslagen auf Euch zukommen. Niemand soll sagen, der König von Frankreich gehe verantwortungslos mit dem
Leben seiner Untertanen um.« Franz entließ Montmorency und Ventadour mit einem Handzeichen, doch bevor der Connétable sich erhob, beugte er sich noch einmal zu seinem König: »Sire, ich wollte wegen der Religionsfrage im Piemont mit Euch sprechen.«
Franz wiegelte ab. »Morgen nach dem Diner. Tragt Euer Anliegen im Kronrat vor.«
Etwas konsterniert stand der Connétable auf, verneigte sich und verließ mit soldatischem Schritt den Saal. Was der König so leichthin abtat, schien Rosso eine schwerwiegende Angelegenheit zu sein, zumindest für die Paserini. Für Armido und die protestantisch Gesinnten war Religionsfreiheit eine existenzielle Frage.
»Tapferer Mann, dieser Ventadour. Sein Vater war ein Spieler, ein Windhund.« Franz hielt inne und bot Rosso den Sessel neben sich an. »Sagt man bereits dasselbe von meinem Sohn? Ich befürchte es fast.«
Rosso Fiorentino kannte den König gut genug, um zu wissen, dass er offen mit ihm sprechen konnte. Auch wenn Franz das gute Leben liebte, die Staatskasse für seine Bauund Kunstprojekte plünderte und irrational reagierte, sobald es um Mailand und Karl ging, so war er auch ein Vater. Henri war nicht der Sohn, den er sich als Nachfolger gewünscht hatte, und er hatte dessen älteren Bruder bis zu seinem Tod immer vorgezogen. Dies drohte sich nun zu rächen. »So weit würde ich nicht gehen, Sire. Henri ist wild und ungestüm, aber er wird mehr Verantwortungsbewusstsein zeigen, sobald er in die Pflicht genommen wird. Und dann gibt es noch seine Frau. Ich halte sehr viel von Katharina.«
Franz lächelte, und ein versonnener Ausdruck trat auf sein Gesicht. »Sie ist zum Herrschen geboren. Eine bessere Königin kann ich mir für Frankreich nicht wünschen. Sie ist intelligent und versteht mehr von Politik und Diplomatie
als mancher Höfling. Deshalb gedulde ich mich in Bezug auf die Nachkommen, die sie noch nicht geboren hat. Wäre sie eine andere, hätte ich die Scheidung angeordnet, doch ich wünsche das Beste für mein Land, und sie ist das Beste, was uns passieren konnte. Henri ist zu dumm, das zu sehen. Er ist ganz vernarrt in Diane.« Er trank einen Schluck Wasser. »Auch ein König macht Fehler.
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